Agrippina - Kaiserin von Rom
kann gar nicht anders« – waren das nicht die Worte des Philosophen gewesen? Und das unschuldig schöne Gesicht des jungen Horatius Pulcher trat vor seine Augen: »Er würde alles tun, um in den Ritterstand aufzusteigen, selbst seine Mutter würde er verkaufen!« Valerius erinnerte sich genau an die Worte des jungen Mannes. Nun, seine Mutter hatte er nicht verkauft, aber seine Herrin Agrippina. Und jetzt hatte der »Schwarze« es geschafft. Würde dieser Mann auch eines Tages noch sein Endziel erreichen, den senatorischen Rang?
»Woran denkst du, Marcus Valerius?«
Niger nahm einen Schluck Wein und blickte Valerius nachdenklich an.
»An unsere Begegnung in Rom, in dieser Spelunke. Hattest du nicht gesagt, du als Einziger seiest Agrippina treu und loyal gegenüber, bis zum Tod?«
»Bis zum Tod? Nun, sie ist tot. Also bin ich von meiner Treuepflicht entbunden. Aber im Ernst, Tribun, ich musste diese kleine Komödie spielen, um deinen notorischen Argwohn zu zerstreuen. Verzeih mir. Tatsächlich war keiner deiner Schritte, die du als provinziellerStoffhändler in Rom unternommen hast, ohne Beobachtung. Decimus Batistus aus Narbo, bei allen Göttern, du hast deine Rolle hervorragend gespielt. Auch bei deiner Festnahme durch die Vigilen. Ich hatte sie übrigens veranlasst, wollte sehen, wie du dich aus der Affäre ziehst. Aber das ist dir bestens gelungen. Ich habe mir nachher das Protokoll durchgelesen, zum Totlachen. Du wolltest ihnen sogar Wintermäntel zum Sparpreis beschaffen. Bei den Göttern, welch eine göttliche Komödie!«
Schweigend ließ Valerius den Spott seines übermächtigen Gegenspielers über sich ergehen.
»Und all diese Menschen, sie mussten alle sterben?« Fast zaghaft wandte Valerius das ein, und die Gesichter der Ermordeten wanderten langsam durch seinen Kopf. Manche, wie der Schurke Vindurix, hatten tatsächlich ihren Tod mehr als verdient, aber andere ...
»Sie waren alle Agenten Agrippinas, und es galt sie zu beseitigen, damit am Schluss auch der unselige Kopf selbst fallen konnte.«
»Unselig? Ihr hattest du doch Treue geschworen?«
Niger verzog bei diesem Vorwurf keine Miene und schwieg. Fast gelangweilt betrachtete er seine gepflegten Fingernägel.
»Und Gaius Volturcius Crassus, der Curator ? War es nun ein Unfall oder vorsätzlicher Mord? Er ... er stand doch auf eurer Seite. Hattest du mir nicht in Rom gesagt, dass ich alle Nachrichten über ihn ...«
»Er drohte unsere Sache zu verraten. Bekam auf einmal Gewissensbisse, der alte Narr. Den ersten Anschlag hat er überlebt, den zweiten nicht. Die Feuersbrunst in eurer kleinen Ubierstadt bot eine einmalige Gelegenheit.«
»Mörder!«, schrie Valerius plötzlich. »Verräter! Niemand hätte den Tod mehr verdient als du!«
Seine Hand tastete nach seinem Schwert, aber dann zuckte sie zurück, und er nahm den Weinbecher, der unberührt auf dem Tisch stand, und warf ihn mit einem Aufschrei gegen die Wand, wo er krachend zerplatzte.
»Die Götter mögen dich für alle Zeiten in der Unterwelt strafen, Tullius Torquatus Niger! Nichts ist dir heilig, niemandem bist dutreu, du kennst keine Ehre, du spielst stets ein doppeltes Spiel, verflucht seist du! Und das alles für diesen albernen kleinen Ritterring!«
Ungerührt und schweigend hatte Niger den Wutausbruch des Tribuns über sich ergehen lassen. Jetzt aber stand er unvermittelt auf, hochrot glühte die Narbe, die sich vom Kinn bis zum linken Ohr erstreckte und sein sonst so ebenmäßiges Gesicht verunstaltete. Narbe und Wut entstellten sein Gesicht zu einer hässlichen Fratze, als er Valerius heiser anschrie: »Was weißt du Elender über diesen goldenen Ring hier?«
Drohend hob er die Hand und hielt den Ring ganz dicht vor Valerius’ Augen. »Nichts, nichts weißt du. Dir wurde er in die Wiege gelegt, eurer Gens steht auch die Senatorenlaufbahn offen, du musst nur zugreifen.«
Mit hochrotem Kopf schritt er durch den Raum und starrte Valerius finster an.
»Mein Vater, bei den Göttern, er war ... Fischhändler in Ostia. Fischhändler. Und, bei allen Göttern des Himmels und der Erde, ich sage dir, den Geruch wirst du nie mehr los. Seit meiner Jugend kenne ich nur den Gestank von Fischen. Er hat mich abends in den Schlaf begleitet, und er war morgens das Erste, was ich wahrnahm. Fische, immer nur Fische! Und da habe ich jetzt die Möglichkeit, die eine Möglichkeit meines Lebens, für immer diesen Gestank loszuwerden. Auf der Straße ehrfurchtsvoll gegrüßt zu werden, bei den
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