Agrippina - Kaiserin von Rom
hier!«
»Es geht um eine wichtige Ermittlung«, ergänzte Valerius mit amtlicher Miene.
»Wichtige Ermittlung?« Quintus Vinucius verzog misstrauisch den schmalen Mund. »Und was für Ermittlungen sollen das sein? Und sie ... sie ist auch gar nicht hier. Sie ist bei meiner Schwester Hortensia auf dem Land. Hilft dort bei der Ernte.«
»Du lügst, Alter!« Valerius hatte sein Schwert gezogen und fuchtelte bedrohlich vor dem Gesicht des Metzgers herum.
»Zu Hilfe! Überfall! Man will mich ermorden! Raubgesindel in Uniform!« Die Stimme des Alten schallte gellend durch den Laden und nach draußen. Im Nu bildete sich ein Kreis neugieriger Zuschauer auf der Straße, der interessiert den weiteren Fortgang beobachtete.
»So kommen wir nicht weiter«, flüsterte Valerius zu Gaius, »bleib du vor dem Laden, damit der Alte nicht versucht, sie wegzuschaffen. Ich hole Hilfe!«
Wieder war ihm seine Vollmacht von großem Nutzen: » Jede Amtsperson, die das liest, ist zu sofortiger Hilfe nach Maßgabe des Inhabers verpflichtet! Den Befehlen des Inhabers ist unbedingt Gehorsam zu leisten!« Dazu das kaiserliche Siegel und die Unterschrift des Narcissus – das wirkte Wunder! Binnen einer halben Stunde kehrte Valerius in Begleitung einer Decurie von Stadtsoldaten zurück. Gaius stand vor dem Laden und pfiff voll Bewunderung.
»Die ganze Armee hast du mitgebracht! Dann wollen wir mal!«
Als der Alte den Aufmarsch an Waffen und Uniformen erblickte, trat ihm der Schweiß auf die Stirn.
»Wo ist die junge Frau?« Valerius’ Stimme war voller Ungeduld. Der Alte zuckte nur mit den Schultern, unfähig, ein Wort zu erwidern.
»Laden durchsuchen! Alles absperren!« Die Soldaten schwärmten aus und stellten alles auf den Kopf. Im hintersten Zimmer des ersten Stockwerks wurde man fündig. Man musste die Kammer mit Gewalt aufbrechen, so verrammelt war sie. In der Ecke hockte tränenüberströmt, aber mit trotziger, stolzer Miene – Dirana! Als sie Valerius erblickte, flog sie mit einem Schrei in seine Arme, und erneut flossen ihre Tränen. Quintus Vinucius war hinzugetreten und beobachtete die Szene voller Zorn.
»Hier handelt es sich wohl um einen Liebeshändel«, geiferte er.
»Das geht dich nichts an. Du hast das Mädchen geschlagen?« Die geschwollenen und verfärbten Wangen Diranas sprachen eine deutliche Sprache.
»Freilich hab’ ich das. Und ich hab’ das Recht dazu. Sie war frech und unbotmäßig! Ich habe sie rechtmäßig als Sklavin erworben. Vom Quaestor in Colonia Agrippinensium ! Willst du die Kaufurkunde sehen?« Er zog aus seiner schmierigen Tunika ein Schriftstück und hob es triumphierend in die Luft. Ohne auf das Zetern des Alten zu achten, nahm Gaius das Schriftstück und zerriss es.
»Das darfst du nicht! Oh, ihr Götter! Merkur und Minerva helft und straft den, der keine Gesetze achtet! Es ist eine amtliche Urkunde! Man wird dich bestrafen! Ich werde den Magistrat benachrichtigen!«
»Schweig! Er darf es!« In scharfem Ton unterbrach der Decurio den plärrenden Alten. Er hatte die Vollmacht des Tribunen gesehen und ahnte ihre Bedeutung. »Und jetzt gib Ruhe, Alter, sonst werden wir dir deinen Laden schließen.«
»Wie viel hast du für die Sklavin bezahlt?«, fragte Valerius.
»Achthundert Denare!«, gab Vinucius trotzig zurück. Valerius wusste, dass er log. Wahrscheinlich hatte der Metzger das Doppelte aufgeschlagen. Trotzdem zahlte er wortlos den genannten Preis. Agrippinas Beutel wurde zusehends schmaler.
»Hier, unterzeichne diesen Vertrag!«
Der Alte unterschrieb mit zitternder Hand.
***
Zwei Tage später saßen Valerius, Gaius und Dirana im Amtszimmer des Prätors. Der Beamte hatte eine wichtige Handlung vorzunehmen, die Manumissio der Sklavin. Das Licht der untergehenden Sonne überzog den Raum mit einem sanften rötlichen Schimmer.
»Wie alt bist du, Dirana?«, fragte Volturcius mit gewichtiger Miene.
»Zwanzig!«, antwortete Dirana.
»Viridorix, notiere. Das Alter der Sklavin Dirana wird mit zwanzig angegeben. Damit ist die Bedingung der Lex Aelia Sentia erfüllt.Nach diesem Gesetz muss ein Sklave zwanzig Jahre alt sein, wenn seine Freilassung beantragt wird. Wie alt bist du, Tribun Marcus Valerius Aviola?«
Der Tribun gab sein Alter mit vierunddreißig an.
»Viridorix, notiere. Der Freilasser gibt sein Alter mit vierunddreißig an. Damit ist auch diese Bedingung des Gesetzes erfüllt, nach der der Freilassende mindestens dreißig Jahre alt sein muss. Dann will ich hiermit zum Akt der
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