Agrippina - Kaiserin von Rom
fielen dem Ermüdeten die Augen zu.
Schon am Rande des Traums bemerkte er, dass die Tür sich leise öffnete und eine schlanke Gestalt auf leisen Füßen an sein Bett trat. Er wollte nach seinem Schwert greifen, das wie immer in Reichweite neben dem Bett lag, aber blitzschnell war die Gestalt in sein Bett und unter die Decke geschlüpft. Ein nackter, warmer und duftender Körper schmiegte sich an ihn, und feingliedrige Finger verschlossen ihm sanft seine Lippen. Dichtes schwarzes Haar legte sich über seine Augen, und dann begannen ihn samtweiche Hände zärtlich zu liebkosen, jeden Teil seines Körpers ...
***
»Er hat dich geschlagen?«
»Ja. Er wollte das von mir, was ich nur dem Mann gebe, den ich liebe.«
»Und du konntest dich ihm verweigern?«
»Ich habe ihm in das karge Zentrum seiner Lust getreten«, lachte Dirana, »da hat er aufgegeben. Danach sperrte er mich in die Kammer, aus der du mich befreit hast. Auf diese Weise wollte er mich gefügig machen.«
»Aber du wurdest nicht gefügig!«
»Nein! Eine Dirana lässt sich so nicht zähmen! Und dann kamst du! Mein Herz raste vor Glück, als ich deine Stimme hörte und die Schläge an der Tür!«
Zärtlich nahmen sie Abschied voneinander. Nach einem kurzen Frühstück dankte Valerius dem Weinhändler Subrius und seiner Frau herzlich und ließ Dirana in ihrer Obhut zurück.
***
In der Nacht hatte sich eine dünne Schicht eisigen Reifs über die erwachende Ubierstadt gelegt, die zudem in dichte Nebelschwaden getaucht war. Valerius legte sich seinen wärmsten Mantel um und überquerte eilig das nahezu menschenleere Forum. Sein Atem ließ kleine Wölkchen aufsteigen, die unter seiner Nase zu gefrieren schienen, und trotz des Mantels fror er erbärmlich. Ich bin die Kälte in diesem Land einfach nicht gewohnt, dachte er, und wahrscheinlich werde ich mich nie daran gewöhnen. Will froh sein, wenn ich wieder nach Rom zurückkehren kann. Aber eine Beute nehme ich mit!
Voller Zärtlichkeit dachte er an Dirana. Sie war wahrhaftig nicht die erste Frau, mit der er eine Nacht verbracht hatte. In Rom waren ihm die Herzen nur so zugeflogen – und manchmal auch nur die Körper. Und er hatte die eindeutigen Angebote der Damenwelt oft und gerne angenommen. Aber das waren nur Abenteuer, die seiner Eitelkeit schmeichelten. Wie oft hatte er mit anderen Tribunen gewettet, wer in einem Monat die meisten Frauen erobern würde, und fast immer war Valerius als Sieger aus diesen Wetten hervorgegangen! Dann lernte er Cynthia kennen. Cynthia hatte er wirklich geliebt, und er war ihr treu gewesen! Cynthia war sicher gebildeter als Dirana und aus erster Familie, aber er trauerte ihr nicht nach ...
Viridorix hatte das Haus der Caeciner gut beschrieben. Es lag in einer geräumigen Seitenstraße des Decumanus , unweit vom Westtor. Die meisten Häuser hier waren neu und aus massivem Stein erbaut, einige sogar farbig getüncht. Hier wohnten offensichtlich die Reichen der Stadt. Vor einem villenartigen Gebäude, dessen Eingang mit dorischen Säulen aus Marmor geschmückt war, blieb er stehen. Auf der gegenüberliegenden Seite standen zwei Wachen, Veteranen, wie ihre alten, wettergegerbten Gesichter erkennenließen. Schweigend grüßten sie den Tribun respektvoll mit erhobenem Arm.
Wuchtig schallte sein Klopfen durch den nebligen Morgen. Es dauerte eine geraume Weile, bis die Tür vorsichtig geöffnet wurde und das jungenhafte Gesicht des Ostiarius durch den Spalt lugte.
»Euchari ...? Verzeih, ich hielt dich für einen anderen. Was wünschst du, Herr?«
»Der Tribun Marcus Valerius Aviola möchte den Herrn des Hauses sprechen.« Der junge Mann wirkte sehr überrascht, gab aber trotzdem wortlos den Eingang frei und führte den Offizier in ein geräumiges Atrium.
»Ich werde dich dem Herrn melden, bitte warte solange hier. Der Herr wird sofort kommen.«
Valerius sah sich neugierig um. Die Eingangshalle musste erst vor kurzem renoviert worden sein, denn man meinte, den Geruch der frischen Farbe noch riechen zu können. Alles war ganz in hellem Blau gehalten, an den Oberkanten der Wände bildeten schlichte Ornamente in Weiß und Gold einen erfrischenden Kontrast. Nur die Wand auf der dem Eingang gegenüberliegenden Stirnseite war mit einem Bild ausgemalt, das Zeus darstellte, wie er als Stier verkleidet die junge Europa entführt. Beeindruckt trat Valerius näher.
»Er ist schon ein großer Künstler, unser Tyron, nicht wahr, Tribun?« Der Hausherr hatte das Atrium betreten und
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