Agrippina - Kaiserin von Rom
drückte ihn sanft zurück.
»In Sicherheit, mein Freund!« Gaius Tullius Eximius blickte ihn besorgt an. Sein kantiges Gesicht war wie aus Stein gemeißelt.
»Was ist passiert? Ist die Schlacht zu Ende? Wo sind die Sugambrer?«
»Geflohen! Wir haben gesiegt!«
»Unsere Verluste?«
»Hoch!«, entgegnete Gaius knapp.
»Was ... was ist mit mir?«
»Du bist verletzt. Neben der Wunde am Oberschenkel hast du einen Schlag mit der Axt auf den Kopf bekommen. Den Göttern sei Dank, es war die flache Seite, sonst hätte er dir den Kopf gespalten. Trink das, und dann schlaf etwas.«
Er reichte Valerius einen Becher Wein, den der Tribun gierig leerte. Der Wein schmeckte süß und bitter zugleich.
»Wir haben ihn mit etwas Honig und Bilsenkraut versetzt.«
Valerius nickte. Die Augen wurden ihm schwer.
Während der Nacht wachte er zweimal auf. Er befand sich im Lazarettzelt, das vom Stöhnen der Verletzten erfüllt war. Zwei Ärzte und ihre Gehilfen waren in ständigem Einsatz. Hier wurden Verbände angelegt, dort grüne Blätter auf offene Wunden gelegt, um den gefürchteten Wundbrand zu verhindern, denn das Chlorophyll wirkt den aggressiven Bakterien entgegen. Auch Amputationen mussten durchgeführt werden, und das Schreien der Betroffenen gellte durch die Nacht.
Als Valerius am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich angenehm erholt. Der Kopfschmerz war gewichen, und lediglich die Beinwunde schmerzte. Er dankte den Göttern, dass die kaum verheilte Schulterwunde durchgehalten hatte. Mit Wehmut dachte er an seinen prächtigen Hengst zurück. Er versuchte aufzustehen, was ihm beim zweiten Anlauf auch gelang. Um seinen Kopf hatte man einen dicken Verband gelegt, Valerius sah nun aus wie einer jener orientalischen Fürsten, wie sie bei ihren diplomatischen Besuchen in Rom hin und wieder zu sehen waren. Humpelnd verließ er nach kurzer Rücksprache mit dem Dienst habenden Arzt das Zelt. Gleißender Sonnenschein lag über dem Lager. Alles wurde für den Aufbruch gerüstet.
»Da ist ja unser wackerer Tribun!« Lächelnd trat Cassius Iunius Silanus auf Valerius zu. »Wir haben mehr als viertausend tote Barbaren gezählt«, berichtete er dem Offizier, »aber auch auf unserer Seite gibt es mehr als tausend Tote zu beklagen. Unsere Mission ist beendet. Die Germanen werden ihre Lektion nicht vergessen. Wir marschieren zurück!«
Wieder folgte das übliche Ritual: Die toten Römer wurden verbrannt, die erschlagenen Germanen ließ man liegen. »Die Wölfe werden für ihre Bestattung sorgen«, meinte der Praefectus fabrum Quinctilius Gambrinus zynisch, »wenn ihre eigenen Leute das nicht erledigen.«
Der Heimweg führte ohne störende Zwischenfälle westwärts. Am Nachmittag des dritten Tages standen sie am Rhenus und hielten nach dem Spähschiff Ausschau, das den Fluss auf und ab kreuzte, um ihre Ankunft zu melden. Von den sechstausend Legionären warteten jetzt noch viertausendachthundert sehnsüchtig auf die Ankunft der Transportschiffe, von den beiden gallischen Alen kehrten sogar nur noch vierzig zurück. Der Sieg hatte einen hohen Blutzoll gefordert.
XIX.
Gefahr für den Kaiser
September des Jahres 54 n. Chr.
Nach drei Tagen war Valerius wieder reisefähig – wenn auch unter Schmerzen. Peliodoros hatte ihn noch einmal untersucht und sich sehr zufrieden gezeigt. »Du scheinst ein Lieblingskind der Fortuna zu sein«, lachte er, »aber nach und nach ist kein Körperteil von dir mehr unversehrt. Arm, Schulter, Bein – was kommt als Nächstes? Pass auf dich auf, Tribun! Bis jetzt ist alles gut verheilt, nur die Narben bleiben, aber irgendwann einmal ...«
Aufmerksam verfolgte der Prätor Valerius’ Bericht und nahm die neuen Phalerae zur Kenntnis, die an der breiten Brust des Tribunen prangten. Den Orden hatte Valerius zusammen mit Gaius für besonders tapferen Kampfeinsatz von Cassius Iunius Silanus erhalten. Und auch Volturcius Crassus hielt eine besondere Überraschung für ihn bereit: Bei Rodungsarbeiten am Rhenus war das Schwert des Tribunen gefunden worden. Mit kindlicher Freude nahm Valerius das Schwert seines Vaters in Empfang. Liebevoll streichelten seine Finger über die Initialen M V M.
» Ich möchte dich in deinen Gedanken nicht stören, Tribun, aber ich habe dir Wichtiges mitzuteilen. Es hat während deiner langen Abwesenheit einen neuen Mordanschlag gegeben! Aber er ist missglückt. Das Opfer hat überlebt, zum ersten Mal. Es ist ein junger Mann, römischer Bürger aus guter Familie. Er heißt Spurius
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