Agrippina - Kaiserin von Rom
Manumissio schreiten.«
Der Prätor stand auf und nahm einen schmalen Stock in die Hand, mit dem er Dirana feierlich an der Schulter berührte. »Dirana, Sklavin des Marcus Valerius Aviola! Durch diese Berührung mit der Vindicta wirst du auf Antrag deines Herrn freigelassen. Du hast alle Rechte und Pflichten einer römischen Vollbürgerin. Du bist in Absprache mit deinem früheren Herrn berechtigt, als Cognomen die Bezeichnung Valeria zu tragen. Viridorix, die Urkunde!«
Mit einem unverständlichen Murmeln überreichte der Schreiber die Urkunde, die von dem Prätor als zuständigem Beamten, Valerius als Freilassendem und Gaius als Zeugen unterschrieben wurde. Mit einem glücklichen Lachen fiel Dirana Valerius um den Hals.
Am Abend saßen sie gemeinsam in der kleinen Taberna des Faustus. Aber noch während sie bei Schinken, Lauch und Eiern mit Wein und Cervisia Diranas Freilassung feierten, klärte Valerius seinen Freund Gaius und Dirana über die Hintergründe der Mordserie auf – so weit er sie kannte.
»Du glaubst also, dass die Augusta hinter allem steckt?«, fragte Gaius erstaunt.
»Ich kann es mir nicht anders vorstellen. Du hast selbst gesagt, dass Niger einer ihrer besten Agenten ist, nicht wahr? Was er ins Werk setzt, wird er nicht ohne Einwilligung, ja nicht ohne Auftrag der Kaiserin tun.
Gaius nickte. »Du hast Recht. Aber warum? Was bezweckt sie?«
Valerius nahm einen tiefen Zug Cervisia . »Der Schlüssel zu ihrem Geheimnis liegt hier, hier in Colonia Agrippinensium. Wir müssen diesen Maternus oder einen aus seiner Gruppe zum Sprechen bringen, und zwar bald. Gleich morgen werde ich Flavia Spatiatica aufsuchen. Aber im Augenblick habe ich noch ein anderesProblem. Wo bringen wir dich unter, Dirana? Im Prätorium geht es nicht. Das ist nur für Staatsgäste. Außerdem wirst du kaum deinem früheren Herrn Statilius Taurus begegnen wollen. Der wird Augen machen, wenn er von deiner Freilassung hört!«
»Wahrscheinlich weiß er es schon«, sagte Dirana, »zwischen dem Amtszimmer des Prätors und dem des Aedils liegt nur ein Stockwerk.«
»Ich hätte einen Vorschlag«, unterbrach Gaius die beiden Liebenden. »Sie könnte bei meiner Verlobten wohnen.«
»Bei deiner Verlobten!«, riefen Valerius und Dirana wie aus einem Mund. »Du hast eine Verlobte?«
»Glaubt ihr, ich wäre einer von diesen frauenlosen Tempelpriestern?«, lachte Gaius, und seine kantigen Züge strahlten. »Es war nur bis jetzt noch keine Gelegenheit, davon zu sprechen. Sie heißt Antonia und ist die Tochter eines vermögenden Weinhändlers aus Durnomagus . Das liegt auf halber Strecke zwischen hier und Novaesium. Dirana wäre fort aus dieser Stadt, was aus mehreren Gründen von Vorteil zu sein scheint, und du, Valerius, könntest sie jederzeit besuchen. Immerhin kann man nicht ausschließen, dass Niger es auch weiterhin auf dich abgesehen hat. Und wie könnte man meinen wackeren Freund besser treffen, als sich an seiner geliebten Dirana zu vergreifen? Ich bin sicher, morgen weiß die ganze Stadt von deiner Freilassung, dafür wird Viridorix schon sorgen. Ein römischer Tribun lässt eine Sklavin frei, weil er sich in sie verliebt hat ...«
»Abgemacht!«, sagte Valerius. »Dirana wird fürs Erste nach Durnomagus übersiedeln. Es ist spät geworden, lasst uns aufbrechen!«
Gemeinsam begaben sie sich auf den kurzen Weg nach Durnomagus , wo sie von dem Weinhändler Subrius Caesonius, seiner Frau Sempronia und ihrer Tochter Antonia überaus freundlich begrüßt wurden. Gaius erklärte so viel wie nötig von den Umständen, die sie hierher geführt hatten, und Subrius erklärte, es sei ihm eine Freude, helfen zu können. Antonia entführte Dirana sofort und brachte sie zu ihrem neuen Zimmer. Subrius bot einen kleinen Imbiss an, aber die Männer lehnten mit Hinweis auf das gerade beendete Mahl ab.
»Vielleicht möchte Valerius heute Nacht unser Gast sein?« Subrius wies nach draußen in die stockfinstere Nacht. Es hatte zu regnen begonnen. Valerius nahm das Angebot nur zu gerne an, denn er fühlte sich erschöpft. Die Expedition gegen die Germanen forderte ihren Tribut von seinem Körper. Valerius verabschiedete sich von Gaius, der die Nacht in der Garnison verbringen musste. Ein Sklave führte ihn in ein Gästezimmer, in dem Valerius sich kurz erfrischte. Dann kleidete er sich aus und legte sich auf das bequeme Bett, das er nach den vielen Nächten auf harter Matte im kalten Zelt sehr genoss. Er reckte sich voller Behagen, schnell
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