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Ahnentanz

Ahnentanz

Titel: Ahnentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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Schatten. Sie marschierten in Reihen, als hätte man sie zu einem großen Treffen geladen, und zuerst dachte er, sie würden ihn nicht sehen, als sie an ihm vorüberzogen.
    Dann begriff er, dass sie ihn aus den dunklen Löchern ihrer Augenhöhlen beobachteten.
    Und dann sah er sie.
    Sie war noch immer fern, doch ein Leuchten ging von ihr aus. Sie trug ein weißes langes Kleid, und inmitten der Unmengen von Toten war sie wunderschön.
    Sie versuchte, ihm etwas zu sagen, und er versuchte, zu lauschen.
    Er stand nicht länger da und ließ die Toten vorbeimarschieren. Er ging vorwärts, versuchte sich zu ihr durchzukämpfen. Sie musste ihm etwas sagen, und er musste es hören.
    Doch der Nebel war dicht wie Suppe, es fühlte sich an, als ob er durch einen Sumpf watete. Er strengte sich an … und hielt inne.
    Die Toten gingen nicht länger an ihm vorbei oder mit ihm. Sie lagen verstreut vor ihm, wie Puppen. Puppen, die ein wahnsinniges Kind auseinandergerissen hatte, den Kopf hatte es hierhin, den Arm dorthin geworfen. Doch die abgetrennten Köpfe hatten Augen, und diese Augen beobachteten ihn, flehten ihn an.
    Die Lippen bewegten sich im stummen Gebet.
    Er musste an ihnen vorbei, um zu der Frau in Weiß zu gelangen,doch er wusste, dass er sie und sie ihn nicht erreichen konnte, weil diese Hände nach ihm greifen, ihn festhalten und ihn stolpern lassen würden …
    Geh zu ihr. Hilf ihr.
    Er hörte die Worte so klar wie den Tag. Obwohl er sie nicht sah, spürte er die alte Frau hinter sich, die versuchte, ihn durch den Nebel zu stoßen und durch die verstümmelten Toten.
    Sie ist diejenige mit der Kraft, sagte die alte Frau schnaufend, als sie ihn weiter vorwärts schob.
    Er drehte sich zu ihr um.
    „Amelia?“, fragte er und wusste irgendwie, dass er recht hatte.
    Der Rest ist Legende, aber dies ist Wirklichkeit, sagte Amelia. Du bist ein Flynn. Kannst du es nicht fühlen? Ich spürte es, als es sich veränderte. Er kam auf teuflische Weise zurück, so teuflisch wie der vor ihm. Und von allem, das böse ist, ist er der Inbegriff des Bösen.
    „Aidan!“
    Er hörte seinen Namen, fühlte, wie ihn jemand schüttelte. Er wachte auf – und fand sich splitternackt am Treppenabsatz wieder. Kendall hielt mit sorgenvoller Miene seinen Arm und schüttelte ihn.
    Was zum Teufel war los?
    „Aidan, Gott sei Dank! Du hast geschlafwandelt, und ich konnte dich nicht wecken“, sagte Kendall. „Ich schlafwandele nicht“, erwiderte er.
    Sie trat zurück und betrachtete ihn mit einem Grinsen, das ihm bewusst machte, wo er stand und was er anhatte – oder besser, was er nicht anhatte. Sie hatte sich sein T-Shirt übergeworfen, und angesichts der Tatsache, dass er ein selbstbewusster Mann war, konnte er sich nicht erklären, warum er sich verwundbar und beschämt fühlte.
    „Wow. Ich schätze, ich war tatsächlich schlafwandeln“, sagte er mit bemühtem Grinsen. „Gott sei Dank haben wirkeine Kinder oder die Nacht bei Verwandten verbracht, was?“
    Sie nickte. Sie wirkte verängstigt. Oh Gott, eine perfekte Nacht, und dann das.
    Er umfasste ihre Schultern. „Kendall, es tut mir leid, wenn ich dir Angst eingejagt habe, das schwöre ich. Mir ist so etwas noch nie passiert.“
    Sie errötete leicht. „Ich habe keine Angst. Ich machte mir Sorgen, als ich dich nicht wecken konnte, aber ich habe keine Angst.“ Sie schwieg einen Moment. „Ich glaube, du hast geträumt“, sagte sie.
    „Ach?“ Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Erzähl mir davon. Aber lass uns erst nach oben gehen.“
    Als sie im Schlafzimmer ankamen, sah Aidan, dass sich im Osten die ersten blassen Anzeichen des Sonnenaufgangs ankündigten. Er versuchte noch immer, das Gefühl der Verletzlichkeit abzuschütteln. Es war ein neues Gefühl, eines, das er nicht mochte. Und er erkannte, dass er noch nicht über seinen Traum sprechen wollte; er war noch nicht bereit.
    „Hey, ich hüpfe rasch unter die Dusche“, sagte er zu Kendall, die ihn noch immer sorgenvoll musterte. „Oh, entschuldige, das war unhöflich von mir. Macht es dir was aus, wenn ich zuerst gehe?“
    „Natürlich nicht. Ich gehe schon mal runter und setze Kaffee auf“, sagte sie.
    Sie scheint zu verstehen, dass ich mich neu sortieren muss, dachte er und fühlte sich ihr näher denn je.
    Er drehte die Dusche voll auf und versuchte das Gefühl abzuschütteln, das irgendetwas an diesem Traum real war.
    „Wo zum Teufel ist Freud, wenn man ihn braucht?“, fragte er sich laut.
    Kendall war verblüfft.

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