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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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beobachtet.«
    »Was?«
    »Nicht hingucken.«
    »Wo?«
    »Am anderen Ende des Außendecks steht jemand«, sagte Vinzi, ohne sich zu bewegen.
    »Und wie willst du wissen, dass der uns . . .«
    »Das spür ich.«
    Sie schwiegen wieder vor sich hin.
    »Wer?«, fragte Plotek.
    »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht der Typ im zerknitterten Anzug und dem fehlenden Finger?«, sagte Plotek. »Der ist nämlich auch hier.«
    »Kann sein, auf jeden Fall hat uns irgendjemand im Auge.«
    »Uma Thurman in Blond?«
    Beide überlegten.
    »Vielleicht der Pastor«, sagte Vinzi. »Oder die Vogler-Huth.«
    Er stieß Plotek mit dem Ellbogen leicht in die Seite. »Wie findest du die eigentlich?«
    Plotek musste nicht lange nachdenken. »Alleinerziehend und spätgebärend«, sagte er. Woraufhin beide lachten und Vinzi das Keckern der Vogler-Huth nachahmte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatten.
    »Und warum?«, wollte Plotek wissen.
    »Was warum?«
    »Warum soll sich jemand für uns interessieren?«
    »Keine Ahnung«, sagte Vinzi. Was natürlich nicht ganz stimmte. Selbstverständlich hatte er eine Ahnung. Beide hatten sie. Eine Befürchtung. Nämlich, dass das Interesse mit der Marcella, dem verkauften Bild und dem Geld im Katheter unter dem Rollstuhl zu tun haben könnte. Darüber reden wollte aber keiner von ihnen. Sie sahen sich nur an und nickten, als wüssten sie ohnehin Bescheid. Woraufhin Vinzi fragte: »Trinken wir noch was?«
    »Wo?«
    »Hier wird es doch wohl ’ne Bar geben?!«
    Sie schnipsten ihre Zigarettenkippen über Bord und verließen den Platz an der Reling. Am anderen Ende des Decks stand niemand mehr.
    Es gab eine Bar. Sogar mehrere. Auf Deck 4 befand sich im vorderen Teil des Schiffes die Bar Floybaren, mit schweren Clubsesseln und einem Tresen, an dem sich die Barhocker reihten wie Tiere an einer Tränke. Die Bar war gut besucht. Vereinzelt saßen ein paar Männer in den Sesseln, mit einem Cognacglas in der Hand oder einem Cocktail auf den niedrigen Tischen davor. Die meisten Gäste standen um den beleuchteten Tresen herum. Oder saßen lässig auf den Barhockern und schienen auf Gespräche und Kontakte aus.
    An einem Tisch nahe dem Eingang saßen die Webers, die identischen Rentner aus Berlin-Köpenick, und winkten Plotek und Vinzi zu. Sie waren tatsächlich kaum zu unterscheiden. Nicht nur weil sie dieselben Klamotten trugen – in ihren bequemen gelben Blousons mit dem leuchtend hellblauen Balken auf der Brust sah es so aus, als wäre die Bar ein Fußballstadion, der Tisch die Ersatzbank und sie beide die Auswechselspieler im Kampf gegen den Abstieg.
    Das gibt es oft. Da leben Ehepaare über Jahrzehnte zusammen und nähern sich dermaßen einander an, dass ein Außenstehender sie kaum mehr unterscheiden kann. Verhaltensweisen, Sprechweisen, Physiognomie – wie Zwillinge. Eineiige. Wie aus einer Rippe geschnitzt. Quasi gleichgeschaltet. Wenn der Mann dann keinen Bart trägt, wird es ganz schwierig mit der Unterscheidung. Meistens bleiben nur noch die Brüste der Frau zur Unterscheidung.
    Bei dicken Männern wird es da dann auch schwierig. In so einem Fall ist eine Differenzierung nur mehr möglich, wenn der Mann oder die Frau den Mund aufmacht. Bei Tieren gibt es das im Übrigen auch oft. Da passt sich der Hund dem Herrchen oder Frauchen über die Jahre hinweg so stark an, dass sich beide zum Verwechseln ähnlich sehen.
    Noch ehe Plotek und Vinzi einen großen Bogen um die gleichgeschalteten Webers schlagen und sich in eine der Sesselecken verdrücken konnten, wurde ihnen der Weg von der anderen Seite versperrt.
    »Hallöchen.«
    Vor ihnen tauchte eine Frau auf, die sie im ersten Moment nicht erkannten.
    »So sieht man sich wieder.«
    Die Irritation von Plotek und Vinzi lag nicht zuletzt daran, dass sich diese Frau in kurzer Zeit stark verändert hatte. Vor allem das Dekollete schien doppelt so weit ausgeschnitten, und die Brüste schienen auf dreifache Größe angewachsen. Sie hatte die Haare hochgesteckt, trug ein schwarzes Abendkleid und Stilettos und sah überhaupt aus, als hätte sie sich in der Tür geirrt. Die Bar auf der MS Finnmarken war zwar geschmackvoll eingerichtet, die Gäste, allesamt ältere Semester, passten zu der eleganten Frau aber ungefähr so wie Vinzi oder Plotek. Verschiedene Welten. Unterschiedliche Anschauungen. Dennoch war den beiden jetzt erstens klar, dass vor ihnen die schwarzhaarige Frau aus dem Bordrestaurant im Zug nach Berlin stand. Und zweitens: Dass das ganze

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