Ahoi Polaroid
wenig. Weil er hinter seiner randlosen Brille etwas schielte, konnte er in die Gesichter blicken und trotzdem sein Auge auf dem Dekollete von Swantje verweilen lassen.
»Darf ich mich vorstellen. Dr. Hubertus C. Bruchmeier, Intendant«, sagte er mit festem Tonfall. Und schon hatte er das Gespräch an sich gerissen. Während sich Plotek und Vinzi flüsternd fragten, wofür das C bei Hubertus C. Bruchmeier eigentlich stand.
»Christoph, Christian, Claus«, vermutete Vinzi.
»Carsten, Carl, Curt«, Plotek.
»Cosmo, Christo, Claudio.«
»Cäsar«, sagte Plotek. Woraufhin Vinzi mit »Cleopatra« nachlegte.
»Clarence!« Vinzi prustete jetzt vor Lachen. Plotek prustete auch. Was Clarence nicht nur schielen, sondern auch brüllen ließ. »Was ist denn hier so lustig, verdammt nochmal?!«
»Nichts«, sagte Vinzi. Plotek schüttelte den Kopf, als würde er sich dieser Einschätzung hundertprozentig anschließen.
Und schon stand der Theaterintendant wieder im Mittelpunkt. Typisch für Menschen vom Theater, dachte Plotek und gluckste immer noch. Die Welt ist eine Bühne, und sie sind immer die Hauptdarsteller. Was in diesem Fall auch nicht so schwer war. Dr. Hubertus C. Bruchmeier war nämlich kein Geringerer als der Intendant des Theaters im Badischen, das gestern dem Erdboden gleichgemacht worden war. Damit fiel es natürlich leicht, zu punkten. Zumindest bei einem abgehalfterten Sportler, einer nuttigen Reisejournalistin und einem Bündnisgrünen, der auf junge Mädchen stand. Plotek hingegen dachte: Komisch, da stürzt diesem Provinzprinzipal das Theater ein, und der macht sich erstmal zu einer Vergnügungsreise ins Land der Trolle und Fjorde auf.
»Und wer war’s?«, fragte Swantje, der Trolle und Fjorde gerade herzlich egal waren, weil auch sie ab und an die Nachrichten verfolgte.
Bruchmeier schaute sich um, als ob ein Attentat die einzige Ursache sein konnte. Und der Attentäter auf jeden Fall hier an Bord und in unmittelbarer Umgebung sein musste.
»Weiß nicht. Aber ich krieg ihn! Die Drecksau! Ich lass mich doch nicht erpressen . . .«
»Erpressen?« Kuhlbrodt horchte auf. Auch auf Sailers Sportlerstirn zeichneten sich horizontale Linien ab.
»Ich meine: unter Druck setzen. Das hat doch alles mit der Uraufführung von Porno Purka zu tun. Das ist Zensur. Ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit. Die Kunst. . .«
»Porno Purka?!« Swantje kicherte.
»Aber ich werde diesem Schwein schon auf die Spur kommen, und dann . . .«
Er schlug mit der Hand auf den Tresen, dass die Gläser klirrten.
Plotek hielt sich dezent zurück. Menschen vom Theater
sind unberechenbar. Das hatte er in der Vergangenheit, als ; er selbst noch ein Teil des Theaters war, am eigenen Leib erfahren müssen. Und auf Dr. Hubertus C. Bruchmeier schien das erst recht zuzutreffen.
Mit zunehmendem Alkoholkonsum verlor der Intendant nämlich immer mehr die Fassung. Er fiel den anderen rücksichtslos ins Wort, unterbrach sie barsch. Redete immer L wirrer auf sie ein. Vor allem auf Swantje. Er gestikulierte wild mit beiden Armen und gerierte sich, als drehte sich alles ausnahmslos und für alle Ewigkeit nur noch um ihn. Der Alkohol im Blut ließ auch das Schielen bedrohlich außer Kontrolle geraten, so dass schließlich beide Augen im Dekollete von Swantje hingen, wenn er einen der anderen Passagiere anzuschauen versuchte. Wahrscheinlich war es diese verführerische Gletscherspalte, die ihn immer tiefer in den Schlamassel hineinzog. Kein Wunder, dass ihm langsam aber sicher die Sicherungen durchbrannten.
»Nein, nein, ich lass mich doch nicht zum Deppen machen«, schrie er. »Ich hab schon inszeniert, da habt ihr noch in die Hosen geschissen! Das waren noch Zeiten, Mann!« Dann redete er über große Theatererfolge in Memmingen neunzehnhundert-weiß-der-Teufel-was. Und in Detmold, Esslingen, Bremerhaven.
»Hier bin ich! Wer was will, soll sich melden.«
Alle schwiegen und blickten betreten zu Boden. Nur Swantje versuchte zu vermitteln.
»Ist doch alles halb so schlimm.« Aber vergiss es! Es wurde noch viel schlimmer.
»Was? Wie willst du das denn wissen, du, du, du. . . Schlampe.«
»He, he, ganz ruhig«, mischte sich Lars Kuhlbrodt ein und griff nach der Schulter von Bruchmeier. Der bekam nun endlich den Widerstand, den er die ganze Zeit über provoziert hatte. Er schleuderte die Hand Kuhlbrodts zurück, als wäre es ein totes Tier.
»Fass mich nicht an, du, du. . .« Er überlegte, fand aber das geeignete Wort nicht und brüllte
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