Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
Dr. Hubertus C. Bruchmeier kam zurück an den Tisch. Er nahm sich eine Serviette und wischte sich damit über den Mund und sagte: »Ich muss mal an Land. Das ist ja nicht auszuhalten hier.«

6
    Der Hund hüpfte voraus und setzte an alles, was im Entferntesten an eine Hausecke erinnerte, seine Marke. Als wollte er ganz Alesund im Handstreich einnehmen. Dabei stand das dreibeinige Tier auf nur zwei Beinen. Auf einem Vorder- und einem Hinterbein. Das Dritte hob er elegant an. Wodurch das Ganze an ein akrobatisches Kunststück erinnerte.
    Vinzi im Rollstuhl und Plotek, der ihn schob, folgten in geringem Abstand.
    Plotek war erleichtert, wieder an Land zu sein, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Wenn auch nur für kurze Zeit. Irgendwie war ihm das Meer unheimlich. So unüberschaubar. So wenig fassbar. So grenzenlos, dass er sich schon beim Anblick zu verlieren glaubte.
    Das 40 000 Einwohner Städtchen Alesund, 250 Kilometer nordöstlich von Bergen, das auf drei Inseln verteilt lag, die durch Brücken miteinander verbunden waren, sah im Licht dieses Morgens bezaubernd aus. Auch ein wenig unwirklich. Als käme Kaiser Wilhelm zwo, ein bekennender Norwegenfan und Alesund-Verehrer, gleich bartzwirbelnd um die Ecke.
    Alesund ist nicht nur Stockfisch-Hochburg und größter Trockenfisch-Umschlagplatz der Welt, sondern auch die Stadt des Jugendstils. Überall Jugendstil, wohin das Auge blickt. Die ganze Stadt ein einziges Museum. Der Grund: Vor über hundert Jahren war der komplette Ort abgebrannt. Und hernach wieder aufgebaut worden. Auch mit Hilfe von Wilhelm zwo. Damals blühte gerade der Jugendstil. Was zur Folge hat, dass die Touristen heute mit in den Nacken gelegten Köpfen durch die Stadt rennen und staunen. Staunen. Staunen. Staunen. Nicht umsonst gilt Alesund als die schönste Stadt Norwegens. Was natürlich auch nichts bedeuten muss. Was für den einen schön ist, bringt den anderen zur Verzweiflung und ist dem Dritten egal. Das nennt man dann Geschmack. Oder Subjektivität. Obwohl manchmal an jedweder Subjektivität auch ein objektives Amalgam klebt wie Rotz an der Backe. Soll heißen: Es gibt Themen und Inhalte, die finden alle gut. Die müssen alle gut finden. Warum? Keine Ahnung. Da können sich dann Millionen Fliegen einfach nicht irren. Harry Potter, Die Vermessung der Welt, das Fußball-Sommermärchen, Das Leben der anderen, Bis(s) zum. . . Wer da ausschert, wird schnell zum Miesepeter. Zum notorischen Spielverderber. Zum Querkopf, Stänkerer, Störenfried. Wie zum Beispiel Plotek.
    Obgleich Plotek nicht ausscherte. Plotek scherte erst gar nicht ein. Nie. Plotek saß von Anfang an abseits, immer am Rand, in der Nähe der Klos, den Ausgang im Blick. Um der Vermessung der Welt im Leben der anderen möglichst unauffällig zu entkommen. Jenseits jeden Märchens, zu jeder Jahreszeit. Da fragte sich vielleicht mancher: Aber was konnte man schon gegen Häuser mit Erker und verschnörkelten Fassaden haben? Nichts. Plotek und Vinzi waren von der Schönheit der Häuser ja durchaus auch angetan. Und doch schienen die Jugendstilbauten, vor allem für Plotek, eine Spur zu schön, zu malerisch zu sein, um darin leben zu können. Soll heißen: zum Leben ungeeignet. Zu anstrengend. Aber zum Urlaubmachen gerade richtig. Hier könnte man länger bleiben, dachte Plotek, jetzt sogar mit einem Anflug von Sentimentalität und mit dem Hintergedanken, dass er und Vinzi dann zumindest dieses leidige Toter-Pastor-Problem los gewesen wären. Alles andere, was daran hing wie Bienen am Honigglas, auch. Einfach nicht mehr zur MS Finnmarken zurückkehren, dachte Plotek. Einfach hierbleiben. Ohne Tschüss zu sagen. Ohne ein Wort. Aber vergiss es!
    »Ohne mich«, sagte Vinzi, dem ähnliche Gedanken durch den Kopf zwirbelten. »Ich lass mir doch von so einem verstümmelten Pfaffen nicht die Reise verderben.« Er legte auf seinen Protest noch eine Schippe drauf: »Meinen Lebenstraum zerstören.«
    Wie bereits angedeutet war die Fahrt auf den Hurtigruten eigentlich allein auf Vinzis Mist gewachsen. Er hatte Plotek mehr oder weniger dazu überreden müssen mitzufahren. Hätte Plotek von Anfang an geahnt, dass die Marcella so gewinnbringend verkauft würde, dass damit die Reise realisiert werden konnte, hätte er sicher abgewunken. So aber: mitgehangen, mitgefangen. Oder mitgegangen.
    Apropos: War das nicht die Vogler-Huth? Plotek musterte eine durchtrainierte Frau mit Strohhut und in den Nacken gelegtem Kopf, die gerade mit einem

Weitere Kostenlose Bücher