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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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und des grausamen Kreuzigungsbildes hatten Plotek und Vinzi großen Hunger. Sie luden ihre Teller am Buffet mit Rührei und Würstchen sowie Wurst und Käse voll. Dann setzten sie sich an einen Tisch, der neben dem stand, an dem Paula Vogler-Huth gerade wieder eine Diätpampe in sich hineinwürgte.
    »Mahlzeit«, sagte Vinzi. Woraufhin Paula ihn anschaute, als wollte er sich jetzt mit ihr, der Tochter, zum Walken verabreden. Minutenlang fixierte Paula Vogler-Huth die beiden aus den Augenwinkeln, als fragte sie sich unentwegt, was sie im Schilde führten. Ohne darauf zu kommen. Bis Vinzi ihr Blick langsam auf die Nerven ging und er »Is was?« fragte.
    »Es ist immer was.« Paula sagte es offensiv. Ohne sich hinter ihrer Diätpampe zu verstecken. Auch eine Spur zu laut. Sie klang jetzt gar nicht mehr so piepsig wie am Vortag in Gegenwart ihrer Mutter.
    Vinzi horchte auf. Plotek schmunzelte. Paula Vogler-Huth schien tatsächlich völlig verändert. Keine Spur von der zuvor so ausgeprägten duckmäuserischen Verhaltensweise. Weit und breit keine Anzeichen von Schüchternheit. Von Zurückhaltung. Nichts war mehr von dem kleinen Mädchen zu erkennen, das unter der Fuchtel ihrer dominanten Mutter stand. Eher im Gegenteil: Selbstbewusst, frech und auch eine Spur arrogant mutete sie jetzt an. Eine Mischung, die Plotek sogar ein wenig gefiel. Und Vinzi Bewunderung abnötigte.
    »Zum Beispiel?«, fragte er.
    »Zum Beispiel ist der blinde Passagier das Alter Ego des Kapitäns. Metapher eines Ichs, das heimlich mit durchs Leben reist. Auf zwei oder vier Beinen.«
    Erstaunen der beiden war die Folge. Plotek zuckte bei blinder Passagier sogar ein wenig zusammen. Er dachte an den Hund, dann an den Steward und schließlich daran, dass es doch kein Zufall sein konnte, diesen Begriff in so kurzer Zeit zweimal zu hören. Oder? Paula Vogler-Huth schien das nicht weiter zu beeindrucken.
    »Wussten Sie, dass die Holländer den blinden Passagier verstekeling nennen?«
    »Interessant.« Vinzi schien wirklich irritiert. Mehr noch als von ihren offensiven Blicken zuvor. Plotek war überrascht.
    »Und die Briten stowaway.«
    »Was Sie nicht sagen?!«
    »Ja, von to stow away – verstauen.« Es hatte etwas Schulmeisterliches. »Und die Russen?«, setzte Paula Vogler-Huth noch einen drauf. Sie sah die beiden aufmerksam an. Dabei schob sie die Diätpampe weit von sich.
    »Hase!«
    Vinzi und Plotek lachten.
    »Und wie würden Sie dazu sagen?« Paula blieb in ihrem nüchternen Tenor. »Hund, Katze, Maus?«, stellte sie zur Auswahl und lachte jetzt auch, wobei ihr Doppel – oder besser Dreifachkinn lustig wippte.
    Entweder ist die dicke Paula ein wenig verrückt, dachte Plotek, oder ziemlich clever. Vinzi dagegen sagte in einer Mischung aus Anerkennung und Unbehagen: »Was Sie alles wissen.«
    »Und Sie wissen sollten, nicht wahr?!«
    »Wie meinen Sie . . . ?«
    »Ach nichts.«
    Das Gespräch verstummte, als Steffen Sailer die Cafeteria betrat. Nachdem er am Buffet gewesen war, näherte er sich ihnen.
    »Ist hier noch frei?«
    »Hmm.«
    Steffen Sailer setzte sich neben die wenig erfreute Paula. Da Swantje nirgends zu sehen war, hatte Lars Kuhlbrodt gestern Nacht offenbar das Rennen gemacht. Sailers Rasierwasserduft legte sich über den Frühstückstisch wie ein Regenschauer über ein Industriegebiet für Düngemittel-Produktion. Was Plotek, aber auch Vinzi, augenblicklich den Appetit zu verderben drohte.
    »Herrlich, das Rührei!« Sailer sagte es, als müsste er Paula für seine gestrige Niederlage bestrafen.
    »Cholesterin!« Es schwappte aus ihrem Mund wie ein Rülpser. Steffen Sailer kaute verunsichert auf dem Rührei herum. »Koronare Herzkrankheit. Schlaganfall.«
    Jetzt schien Sailer der Appetit zu vergehen, während Vinzi das Rührei unbeirrt in sich hineinschaufelte und dabei genüsslich grinste.
    »Prostatakarzinom. Brustkrebs. Nierenkrebs.«
    Sailer stand angewidert auf. Er blickte sich um, nahm seinen Teller und setzte sich ans andere Ende der Cafeteria. Augenblicklich war die Luft wieder besser. Vinzi lächelte. Plotek rührte sein Ei aber nicht mehr an.
    »Danke!« Vinzi nickte Paula zu.
    »Keine Ursache. Es gibt Menschen, die sind am anderen Ende der Cafeteria besser aufgehoben.«
    »Apropos, haben Sie heute den Pastor schon gesehen?« Vinzi fragte es, wie wenn man fragt: »Hatten Sie heute schon Stuhlgang?«
    »Nö.«
    Vinzi überlegte. »Aber gestern. Gestern haben Sie ihn gesehen, oder?«
    »Hä?«
    » Beim Abendessen?!«
    Jetzt

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