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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Das konnte er der Vogler-Huth aber nicht sagen. Nicht nur nicht, weil er nicht wollte. Auch weil sie ihm mal wieder zuvorkam.
    »Ist das Ihr Hund?«, fragte sie, wie wenn man fragt: »Ist das Fleisch durch?«
    »Welcher Hund?« Vinzi blickte sich um, als wäre der Hund ein Ornament des Jugendstils.
    »Welcher Hund?« Plotek sah ebenfalls über den dreibeinigen Hund hinweg, der den Kopf jetzt in den Nacken gelegt hatte und beide herausfordernd ansah.
    »Süß.« Herlinde Vogler-Huth bückte sich und wollte dem Hund über den Kopf streichen. Aber keine Chance! Der Hund knurrte nicht nur. Er schnappte nach der Hand der Physiotherapeutin wie nach einem Wurstzipfel. Vogler-Huth schrie, als wäre ihr Arm im Schlund eines Dobermanns verschwunden. War er natürlich nicht. Nur eine kleine Schramme zierte jetzt ihre Handwurzel.
    »Das ist ein Herrenloser!«, fluchte Vogler-Huth, was so klang wie »Der hat Tollwut!«. Sie trat nach dem Tier wie nach einem Gummiball. Der Hund sprang zur Seite und versteckte sich unter einem am Straßenrand geparkten Auto.
    Er erreichte damit, was Plotek und Vinzi nicht geschafft hatten: Herlinde Vogler-Huth hatte die Schnauze voll und zog ab.
    »Ich muss los! Farben kaufen.« Sie zwinkerte Plotek zu, als wüsste er Bescheid.
    »Tschüü-hüüss.«
    Herlinde Vogler-Huth war verschwunden. Plotek und Vinzi waren erleichtert. Der Hund wagte sich wieder aus seinem Versteck hervor.
    Die Reisegefährten betraten einen Tabakwarenladen, um sich mit Rauchervorrat für die weitere Reise einzudecken. Der Hund blieb vor der Tür. Der Ladenbesitzer schien über ihren Besuch gar nicht erfreut zu sein und musterte sie von oben bis unten. Womöglich dachte er, dass sie etwas Unredliches im Schilde führten. Was man ihm bei ihrem Aussehen gar nicht verübeln konnte. Vinzi im speckigen schwarzen Anzug, weißen Hemd und mit einem Gesicht, das an frühe Mafia- und Gangsterfilme erinnerte. Plotek in abgetragener Cordhose und verschlissenem Holzfällerhemd, das aus dem Kostümfundus von schlechten Italowestern der sechziger Jahre geklaut schien. Vielleicht hatten seine Ressentiments aber auch mit der Geschichte zu tun. Der Geschichte des norwegischen Verkäufers an sich. Der der Norweger generell. Die empfanden sich nämlich immer schon als freie Bauern und Fischer, die nie fremden Herren untertan gewesen waren.
    Dienstleistungen scheinen in diesem Land eher widerwillig und mit einer Spur Trotz ausgeführt zu werden und haben das Sozialprestige von Verbotenem. Was ja auch wieder sympathisch ist. Von wegen unterwürfige und selbstverleugnerische Anbiederung nach dem Motto: Der Kunde ist König. Hier gibt es nur einen König, und der heißt Harald V. Und Kunden sind grundsätzlich lästig. Touristen erst recht. Wenn sie schon bedient werden müssen, dann sollen sie auch ordentlich bluten. Das ist der Grund, warum man in Norwegen für fast nichts Unsummen hinblättern muss, warum kaum etwas bezahlbar ist. Natürlich nicht für Scarface und Django mit ihren geldgefüllten Kathetern.
    Nachdem der Verkäufer dann doch widerwillig ein paar Packungen Zigaretten herausgerückt hatte, verließen die beiden den Laden. Und Überraschung: Der Hund saß nicht mehr vor der Tür. Er war auch sonst nirgends zu sehen. Das schien Plotek zuerst aufzufallen. »Der Hund ist weg«, sagte er und fügte hinzu: »Vielleicht kam die Vogler-Huth noch mal vorbei?«
    »Hund!«, schrie Vinzi beunruhigt. In der Hoffnung, er würde ihn hören und gehorsam folgen. Aber kein Hund, nirgends! Vom Hafen ertönte das Schiffshorn der MS Finnmarken.
    »Wir müssen los«, sagte Plotek, dem das Verschwinden der Töle weniger auszumachen schien als Vinzi.
    »Irgendwo muss er doch sein!« Vinzi wirkte verzweifelt.
    »Hund!!!«, brüllte er, so dass die Touristen ihre in den Nacken gelegten Köpfe vom Jugendstil wegrissen und ihn anstarrten, als wäre er der gekreuzigte Pastor und randvoll mit Aquavit abgefüllt.
    »Hund!«
    Sie schüttelten pikiert den Kopf und riefen in Gedanken schon die norwegischen Ordnungshüter. Diejenigen, die weitergingen, machten einen großen Bogen um Plotek und Vinzi. Aus Angst, von diesem tollwütig und unberechenbar wirkenden Krüppel und seinem verlotterten Begleiter den Urlaub respektive die Urlaubskleidung versaut zu bekommen. Manche schauten weg. Womöglich dachten sie, der Krüppel ist nicht nur körperlich, sondern auch geistig derangiert.
    »Hund!«
    Keine Spur. Weit und breit nicht. Als hätte Alesund ihn verschluckt. Als

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