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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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bereits ein Ausdruck von verzweifeltem Größenwahn. Dann antworteten Plotek und Vinzi unisono auf die Frage: »Nichts!« – was sich natürlich auf ihre Tätigkeit bezog.
    Als müsste der Mann intensiv darüber nachdenken, schwieg er. Nach einer langen Pause, in der Plotek und Vinzi zweimal tranken, fragte Vinzi schließlich: »Und Sie?«
    Als fühlte sich der Mann ertappt, bekam sein blasses Gesicht ein wenig Farbe. Wieder überlegte er und sagte dann, leise, als wäre es abermals Teil einer Konspiration: »Ich schreibe.« Wie wenn man sagt: »Ich morde.«
    »Ach ja? Und was?«
    »Bücher.«
    Ach so, schoss es Plotek durch den Kopf. Ich dachte schon, das eigene Testament. »Und was für welche?«
    Der junge Mann druckste herum. Entweder wusste er nicht, wo er anfangen sollte, oder der Anfang war gleichzeitig schon das Ende. Schließlich sagte er: »Na ja, wenn ich ehrlich bin, habe ich noch gar keins geschrieben.« Er lachte mehr verbittert als aus Freude. Plotek lachte auch. Unterschiedlicher hätte Lachen nicht sein können.
    »Ich war bis vor kurzem auch noch gar kein Schriftsteller«, sagte der Schriftsteller. »Und wenn man es genau nimmt, bin ich jetzt auch noch keiner. Objektiv betrachtet. Subjektiv schon. Zumindest fühle ich mich wie einer.« Das konnte Plotek gut nachvollziehen. Nur andersrum. Plotek war Schauspieler. Objektiv betrachtet. Nach Ausbildung und jahrelangem Engagement an Theatern. Subjektiv hingegen fühlte er sich ganz und gar nicht mehr wie einer. Subjektiv fühlte er sich wie so ein Plastikbecherchen. Wie ein Nichts, Niemand, eine Null. Oder höchstens wie ein nichtsnutziger Stubenhocker. Ein weißbiertrinkender nichtsnutziger Stubenhocker. Darauf einen Aquavit.
    »Was waren Sie denn vorher?«, fragte Vinzi, als ob man fragt: »Hatten Sie ein Leben vor dem Tod?« Der Schriftsteller zögerte wieder, als müsste er darüber nachdenken. Als wäre es ihm kurzzeitig entfallen.
    »Student.«
    »Und was haben Sie studiert?« Vinzi ärgerte sich ein wenig, dem Schriftsteller alles aus der Nase ziehen zu müssen.
    »Agrarwissenschaft.« Jetzt musste Vinzi lachen. Der Schriftsteller nicht.
    »Nun, von der Landwirtschaft zur Schriftstellerei scheint es ja nicht weit zu sein«, sagte Vinzi, und Plotek lachte jetzt auch.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nur so.«
    Alle drei schwiegen wieder. Dabei bemerkte Plotek erneut den fehlenden Ringfinger an der rechten Hand des Schriftstellers.
    »Das mit dem Studium war ein Fehler. Ein Irrweg. Eine Sackgasse. Mein ganzes Leben war bis jetzt ein Fehler. Die Beziehung. Alles.« Das kannte Plotek nur zu gut. »Ich musste mal raus aus dieser Spur, aus diesem Trott. Was ganz anderes machen.«
    »Deswegen die Reise?«, fragte Vinzi.
    »Deswegen die Reise.«
    »Die Hurtigruten?«
    »Die Hurtigruten.«
    »Und die Idee mit der Schriftstellerei«, sagte Plotek.
    Der Schriftsteller nickte.
    »Und die Schriftstellerei ist keine?«, fragte Vinzi.
    »Was?«
    »Sackgasse.«
    »Hmm.« Kurzes Nachdenken. »Ich habe da so eine Idee. Für eine Geschichte.« Er beugte sich wieder den beiden zu, um weitere neugierige Ohren auszuschließen, und sagte: »Es geht um die Vergangenheit, die einen einholt.« Originell, dachte Plotek, das gab es ja echt noch nie. Als würde der Schriftsteller seine Bedenken kennen, sagte er: »Ich weiß, was Sie jetzt denken.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ganz anders.« Das behaupteten alle. »Opfer rächt sich an Täter.« Das wird ja immer origineller, feixte Plotek innerlich. Und Vinzi sagte, etwas spöttisch: »Sie meinen im Sinne von einem Schiff, darauf ein Pfarrer, ein Politiker und ein ehemaliger Fußballprofi. . .«
    Der Schriftsteller wurde plötzlich noch blasser. Er sah Vinzi an, als betrete er gerade die nächste Sackgasse in seinem Leben. »Sagen Sie bloß, Sie schreiben auch?« Fast ein wenig enttäuscht. »Vielleicht sogar an derselben Story?«
    »Nein, nein«, beruhigte Vinzi den jungen Mann. »Von Schreiben kann keine Rede sein.«
    »Wenn, dann von Leben«, ergänzte Plotek. »Von Erleben.«
    Der Schriftsteller schien erleichtert. Auch beruhigt. Während Ruedi Eschenbach wieder die Aquavitflasche durch die Sitzreihen wandern ließ.
    Ein weiterer Höhepunkt des Ausflugs war der Mahlstrom, der gefürchtetste aller Gezeitenströme, der Moskenesstraumen. Swantjes maßlose Schwärmerei klingelte Plotek wieder in den Ohren, als es ihm nun, da er im Schnellboot saß, ein wenig unheimlich wurde. Trotz der orangen Rettungsweste, die er um die

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