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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Namen auf Bechern, Tassen oder Gläsern immer etwas von einem angeknacksten Identitätsproblem. Dem man sich bei jedem Schluck vergewissern musste. Soll heißen: Wer bin ich, warum und wenn nicht? Bedeutet: Der bin ich, darum und scheißegal! Also schrieb er als Einziger nichts auf den Becher. Wodurch dieser dann bestens als seiner identifiziert werden konnte.
    Anders Vinzi. Vinzi konnte Namen auf Bechern zwar auch nicht ausstehen. Er hatte für sich aber einen eher spielerischen Umgang mit dieser Abneigung gewählt. Erst vor kurzem war er in einem Coffee House gewesen. Einem von dieser amerikanischen Kette mit dem grünen Logo und der Meerjungfrau, die die ganze Welt gnadenlos mit ihrem uniformen Coffeedesign überzieht. Beim Kaffeekauf am Tresen ist es obligatorisch, seinen Namen zu nennen, damit dieser dann von der Tresenkraft auf den Becher geschrieben werden kann. Sobald das Getränk fertig ist, was einige Zeit dauert, wird der Name durch das ganze Lokal gebrüllt, damit der Kevin oder die Katrin weiß, dass sie es am Tresen abholen können. Auch in Stuttgart, Königstraße. Dort hatte Vinzi also nicht »Vinzi« gesagt, sondern »Ahmadinedschad«. Als der Kaffee dann fertig gewesen war und die Tresenkraft lauthals »Ahmadinedschad« durch das Lokal gebrüllt hatte, war so mancher Gast ordentlich zusammengezuckt.
    Jetzt schrieb Vinzi mit dem Filzstift Hund auf den Plastikbecher. Einerseits im Gedenken. Andererseits stimmte es auch ein bisschen.
    War der Eschenbach’sche Aquavit für die einen Ausdruck eines erfreulichen gemeinsamen Erlebnisses, so entpuppte er sich für die anderen als willkommenes Mittel, diesen Ausflug erträglicher zu gestalten. Soll heißen: Man konnte sich den Ausflug auch schönsaufen. Vor allem Plotek und Vinzi. Folge: Ihre Becherchen waren nahezu randvoll.
    »Prost allesamt!« Ruedi Eschenbach erhob sich und sein Becherchen und rief es nach hinten in den Bus. Woraufhin es prompt mehrkehlig »Prost!« nach vorne zurückschallte. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass die Flasche kreiste. Nur Urs hielt noch immer die Augen geschlossen.
    »Sie sind mir aufgefallen.« Ein junger Mann beugte sich von hinten über die Lehne zu Plotek und Vinzi, wie man sich über den Tresen einer Schankwirtschaft beugt.
    »Ach ja«, sagte Vinzi. Und Plotek dachte: Du bist mir auch schon mehrmals aufgefallen. Und dann: bestimmt schwul oder Gutmensch. Obwohl der junge Mann in seinem zerknitterten Leinenanzug eher wie ein gut gekleideter Schlechtmensch aussah.
    »Und?« Erwartungsvoller Blick von Vinzi. Gelangweilter Blick von Plotek.
    »Ich habe mich die ganze Reise über gefragt, warum Sie auf dem Schiff sind«, kam es von dem jungen Mann, der rote halblange Haare hatte und einen blassen Teint. Eine Haut fast wie Papier.
    »Warum nicht?«, fragte Vinzi. Was auch ein wenig provokativ klang. Damit ließ sich der junge Mann aber nicht abspeisen.
    »Nun, alle anderen passen mehr oder weniger zu den Hurtigruten, auf die MS Finnmarken, auch hier in den Bus.« Er blickte sich um und wandte sich dann erneut zu den beiden. Er fuhr etwas leiser fort, so dass es konspirativ klang und nur von den zweien zu verstehen war: »Die Vogler-Huth mit ihrer Tochter zum Beispiel, die Eschenbachs, Webers, die Flitterwochen-Kieningers, die ganzen Rentner hier. Selbst der aufgedonnerten Swantje Schmitz könnte man noch eine Absicht unterstellen. Aber Ihnen?«
    Da fallen mir aber noch ganz andere ein, dachte Plotek. Zum Beispiel Ralf Augustin, Lars Kuhlbrodt oder Hubertus C. Bruchmeier. Und bei näherer Überlegung nicht zuletzt dieser blasse junge Mann hier.
    »Verzeihen Sie, aber wenn ich das so sagen darf: Sie beide wirken auf der Finnmarken wie ein Missverständnis.«
    Vinzi verzog das Gesicht. »Und Sie wie eine Zumutung!«
    Der junge Mann erschrak. »Entschuldigen Sie, ich wollte nicht aufdringlich erscheinen, aber . . .« Schon passiert, dachte Plotek, und Vinzi sagte: »Schon okay. War nicht so gemeint.«
    »Danke.«
    Wofür, dachte Plotek. Er kam nicht drauf. Irgendwie erinnerte der blasse junge Mann äußerlich an Arthur Rimbaud, den französischen Lyriker, den Vinzi so gerne rezitierte.
    »Darf ich Sie fragen, was Sie so machen?«, fragte der Mann.
    »Nein«, sagte Plotek.
    »Ja«, sagte Vinzi.
    »Prost!«, erwiderte der junge Mann. Er hob sein Becherchen und stieß mit den beiden an.
    Sie tranken, während Plotek auf dem Plastikbecher des jungen Mannes Gott las. Komisch, dachte er, soll das witzig sein? Oder ist das

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