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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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als wäre es ratsam, dass sie sich das mit dem Landgang in Tromsø am besten nochmal überlegen sollte. Herlinde verging das Lachen, während Urs Eschenbach gerade mit seinem Teleskop unterm Arm zur Tür hereinkam und vor Nässe triefte.
    »Es regnet in Strömen«, sagte er und stellte sich zu Plotek. Während Vogler-Huth schon den morgendlichen Sonnenaufgang in Gefahr sah. Oder vielmehr ihre frühexpressionistische Annäherung an denselben.
    »Können Sie endlich mal ausschlafen.« Steffen Sailer lachte, schon wieder erheblich angetrunken. Dabei schob er sich seine getönte Brille auf die Stirn. Herlinde Vogler-Huth lachte nicht. Sie warf ihm einen Blick zu, als hätte sie ihn ein für alle Mal aus ihrem bis dahin wohlwollenden Gedächtnis gestrichen.
    »Wie es aussieht, wird es auch morgen so bleiben.« Eschenbach schüttelte sich. »Vielleicht wird es sogar noch schlimmer. Ich glaube, es ist auch Sturm angesagt!«
    Mir egal, dachte Plotek. Ein Grund mehr, auf den Landgang zu verzichten.
    »Vielleicht liegt es daran, dass wir den Polarkreis überschritten haben.« Herlinde Vogler-Huth machte ein Gesicht, als wäre sie gedanklich wieder bei Amundsen und Kuhlbrodt. Was nichts Gutes bedeuten konnte. »Wir sind in die Polarzone eingetreten.« Es klang wie: »Wir kommen dem Fegefeuer näher.«
    »Na und?«, fragte Sailer herausfordernd. Vermutlich, um den zuvor abgeschossenen bösen Blick Herlindes zu kontern. Dabei ließ er seine Brille von der Stirn wieder zurück auf die Nase rutschen.
    »Da herrscht ein extremeres Klima, es wird karger, eintöniger, rauer.« Genauso wie Herlindes Stimme, dachte Plotek. Während Steffen Sailer sein provozierendes »Na und?« wiederholte.
    »Da sind Regen und Sturm an der Tagesordnung.«
    »Na und?« Sailer wollte wohl eine Schallplatte imitieren, die hängengeblieben war.
    »Jetzt reicht’s!«, schrie Herlinde, der Sailers Frechheit die Laune eindeutig verdarb. »Gehen Sie mir aus den Augen, Sie unverschämter, Sie, Sie. . .« Sie suchte nicht nur nach Worten, sondern wollte auch neuerlichen Körperkontakt. Diesmal aber nicht freundlich oder zärtlich. Auch nicht am Unter – oder Oberarm. Vielmehr gab sie Steffen Sailer in Höhe seiner Motivkrawatte, auf der eine Art Mickymäuse abgebildet waren, einen Schubs gegen die Brust, so dass er rückwärts stolperte. Zuerst sah er aus, als wüsste er nicht genau, ob er erbost sein oder doch eher darüber lachen sollte. Er sah sich um und bemerkte die Blicke der anderen. Dann lachte er; frech, dreckig. Als hielte er die Bar für einen verranzten Hinterhof und Treffpunkt von Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten mit Migrationshintergrund. Dementsprechend streckte er Herlinde Vogler-Huth die Zunge heraus. Als wäre er nicht Anfang fünfzig, sondern gerade mal fünf. Was zunächst unverschämt, dann anzüglich aussah.
    »Hau ab!« Herlinde fuchtelte mit den Armen vor dem Gesicht herum, als wollte sie eine lästige Schmeißfliege vertreiben. Noch immer lachend, anzügliche und frivole Zeichen in die Luft schreibend, verdrückte Sailer sich leicht schwankend aus der Bar.
    Nach einer kurzen schweigsamen Pause, einem Moment der Stille, den Plotek als ausgesprochen wohltuend empfand, sagte Urs Eschenbach: »Apropos: Morgen soll die Polartaufe stattfinden.« Er ging dabei über die unschöne Sailer-Szene hinweg, als wäre gar nichts vorgefallen. »Im Namen des Meeresgottes Neptun!« Die anderen schwiegen, als bräuchten sie noch ein wenig Zeit, um wieder in den Rhythmus einer spätabendlichen Tresengemeinschaft mit Hang zum Alkohol und zu oberflächlichen Gesprächen zu finden.
    »So wie es aussieht, muss die Taufe wohl verschoben werden.« Eschenbach hob die Schultern.
    Meinetwegen, dachte Plotek. Er bestellte sich ein weiteres Bier.
    »Na ja, ist glaube ich auch nicht ganz so wichtig. Die Taufe ist ja eher ein symbolischer Akt, nicht wahr?« Eschenbach sah in die Runde.
    Herlinde Vogler-Huth schien sich nun wieder gefangen zu haben. Sie griff nach dem Ellbogen von Urs Eschenbach und sagte: »O nein, täuschen Sie sich da mal nicht. Das ist ein uraltes Ritual der Seeleute.«
    Schon wieder ein Ritual, dachte Plotek. Das reißt aber auch gar nicht ab.
    »Es ist ein Initiationsritus.« Herlinde machte ein feierliches Gesicht. »Mut und Glauben der Seeleute sollen damit bekräftigt werden. Das stammt noch aus den Zeiten der Entdeckungsreisen. Der Täufling wird von einem verkleideten Neptun gereinigt und erhält danach eine Urkunde. Früher war das

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