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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Brust gebunden hatte. Es schwankte und ruckelte, und er hatte das Gefühl, dass er, wenn er sich nicht mit beiden Händen an der Bordwand festhielte, augenblicklich darübergeschleudert und ins Wasser gezogen würde. Das Boot fuhr direkt auf die Strudel zu, als wollten Reiseführerin und Bootsführer den Ausflug mit ein wenig Dramatik würzen. Beide lächelten. Nun, Angst hatte Plotek nicht. Das wütende Toben des Wassers war ihm nur unheimlich. Hubertus C. Bruchmeier hingegen machte sich vor Angst beinahe in die Hose.
    Die frisch vermählten Kieningers hingegen gaben sich so locker, als säßen sie noch immer im Bus und nicht in einem Boot, das sich in wirbelndem Wasser auf die Sturzseen zubewegte. Doch das war ein Fehler. Als das Boot nämlich dem Mahlstrom zu nahe kam und abrupt abdrehen musste, küssten sich die beiden Eheleute gerade mal wieder. Dadurch war der Herr Kieninger dermaßen abgelenkt, dass er sich nicht richtig festhielt. Folge: Bei der zackigen Richtungsänderung stürzte er tatsächlich über die Bordwand ins Wasser. Dort trieb es ihn direkt in einen Strudel. Natürlich hatte auch er eine Schwimmweste umgebunden. Soll heißen: Er ging nicht wirklich unter. Oder besser: Er tauchte immer wieder auf. Frau Kieninger schrie und musste von Plotek und Vinzi daran gehindert werden, selbst ins Wasser zu springen. Sie schlug nicht nur um sich, sondern versuchte immer wieder, über die Bordwand zu klettern, um ihrem Mann ins Wasser zu folgen. Entweder um ihn zu retten oder mit ihm unterzugehen. Was wahre Liebe so alles auslösen kann, dachte Plotek. Und: In drei Jahren, nach nervenaufreibendem, aber auch eintönigem Ehealltag, sieht das dann auch ganz anders aus. Höchstwahrscheinlich wird die Frau dann so weit sein, den Mann selbst ins Wasser zu stoßen. Wenn nicht, wird sie innigst hoffen, dass er zumindest nicht mehr lebend geborgen wird. So schnell ändert sich die Liebe. Oder besser: In kurzer Zeit macht die Ehe alles kaputt.
    Plotek hielt Frau Kieninger an den Beinen fest, und Vinzi nahm ihren Kopf in den Schwitzkasten. Was ihr sehr wahrscheinlich das Leben rettete. Hubertus C. Bruchmeier hingegen war im Gesicht nun käseweiß. Er krallte sich an allem fest, was ihm gerade in die Finger kam. Auf der einen Seite war es das Bein von Mausi. Auf der anderen der Hals des Schriftstellers, der deswegen nach Luft rang und röchelte, als würde er gleich ersticken. Bruchmeier sah aus, als vermute er im Unglück des Herrn Kieninger einen missglückten Anschlag auf sich selbst. Natürlich war ihm aufgefallen, dass er auf dem Platz, wo Kieninger saß und über Bord ging, vor ein paar Minuten noch selbst gesessen hatte.
    Die Flitterwochen für die Kieningers waren jedenfalls zu Ende. Obwohl Herr Kieninger vom Bootsführer schließlich doch noch aus dem Wasser gezogen werden konnte. Dann ging es für ihn aber direkt ins Krankenhaus nach Bodo. Frau Kieninger wurde gleich mit eingeliefert. Vor allem für die psychologische Betreuung. Wegen Schocks, Nervenzusammenbruchs und allem. Für die anderen ging die Reise mit einer kurzen Verzögerung weiter.
    »Ob der Kieninger auch irgendwie mit Augustin und Kuhlbrodt in Zusammenhang zu bringen ist?«, fragte Vinzi. Er lehnte mit Plotek zusammen rauchend auf dem Vorderdeck an der Reling.
    »Hmm«, machte Plotek, der sein Gehirn seit geraumer Zeit mit denselben Gedanken belästigte.
    »Passt irgendwie nicht«, sagte Vinzi und fügte hinzu: » Ganz anderer Style!«
    »Also Zufall?« Plotek zweifelte.
    »Oder undogmatische Arbeitsweise.« Vinzi zweifelte auch.
    »Vielleicht war aber jemand anderes gemeint.« »Bruchmeier?«
    »Vielleicht.«
    »Du«, sagte Vinzi. »Oder ich.«
    »Aber warum?«
    »Keine Ahnung.«
    Beide rauchten schweigend die Zigaretten zu Ende und warfen die Kippen über Bord.

9
    Das abendliche Treffen in der Bar Floybaren war mittlerweile schon ein Ritual geworden. Einerseits war Plotek auf Rituale nicht gut zu sprechen, andererseits erinnerte sein ganzes Leben an einen einzigen schlampigen Ritus. Weniger festlich-feierlich. Eher egozentrisch; voller Zwangshandlungen, Autismen und alledem. Soll heißen: wie das Sitzen oder besser Aussitzen im Froh und Munter . Das Trinken oder besser Betrinken von und mit Weißbier. Aus dem einzigen Grund, die Lebenslangeweile ein wenig erträglicher zu machen. Jetzt und hier; in der Variante Bar und Aquavit.
    Nach den ersten vier Tagen der Reise hatte sich eine Gruppe, eine Art Bargemeinschaft herausgebildet, die das Trinken,

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