Ahoi Polaroid
gelbe Häuser, eine Brücke, ein Schiff. Die MS Finnmarken. Er flog mit ausgebreiteten Armen darauf zu und suchte nach einem Bändel, an dem er ziehen konnte. Damit der Fallschirm aufsprang und er langsam gleitend auf dem Panoramadeck landen konnte. Aber keine Chance. Er landete nicht auf dem Panoramadeck. Nicht auf dem Vorderdeck. Auch nicht auf dem Badedeck oder dergleichen. Er landete in einer Kabine, in einem Bett. Nicht hart, eher weich. Wie mit Fallschirm, auch ohne Fallschirm. Er landete im Bett neben einer Frau. Es war Herlinde. Herlinde Vogler-Huth. Die nackte Herlinde, mit ihrem durchtrainierten mahagonibraunen Lederleib, lag ganzkörperepiliert neben ihm und sagte: »Fick misch!«
Plotek erschrak und schüttelte den Kopf. Er wollte das Bett gleich wieder verlassen. Aber Herlinde schlug mit ihren tellergroßen muskulösen Händen auf ihn ein. Immer wieder schlug sie auf seine Wange und befahl: »Fick misch, fick misch, du Sau!«
»Nein, bitte nicht!«, schrie Plotek. Er bäumte sich auf, fiel aus dem Bett und landete auf dem Boden.
»He«, hörte er eine Stimme. Es war aber nicht die von Herlinde Vogler-Huth.
Plotek öffnete die Augen und sah einen Hund. Einen nassen Hund mit nur zwei Vorderbeinen, der neben ihm lag. Er erschrak. Dann spürte er eine Hand an seiner Wange. Einen Schlag. Leicht, fast zärtlich. Noch einen.
»He! Aufwachen!«
Plotek wunderte sich, weil er doch schon wach war. Er drehte den Kopf ein wenig nach oben und sah Vinzi, der jetzt über ihn gebeugt fragte: »Was ist los?«
Plotek schüttelte den Kopf und dachte: Wenn ich das wüsste. Und Glück gehabt: Vinzi wusste es.
»Du bist niedergeschlagen worden«, stellte er erschrocken fest. Tatsächlich: seine Stirn blutete. Schmerzte auch ein wenig. Dabei schien er langsam seine Erinnerung wieder zurückzuerlangen.
»Na komm!« Vinzi packte ihn unter den Achseln und half ihm hoch.
»Der Hund!« Plotek zeigte auf den nassen Kadaver, der neben ihm auf dem Boden lag. »Der Hund hing vor dem Fenster!« Seine Stimme klang benommen, wie in Kumuluswolken gehüllt und von Swantje Schmitz’ Titten tranchiert.
»Was?« Vinzi dagegen hörte sich bestürzt an.
»Ja, ich habe ihn reingeholt und dann . . .« Plotek dachte nach. Sein Kopf schmerzte noch mehr. Noch ehe er weitersprechen konnte, ergänzte Vinzi: »Dann muss dir jemand eins übergebraten haben.« Er zeigte auf Ploteks Stirn. Plotek griff danach und spürte das Blut an seinen Fingern.
»Ja.«
»Scheiße, und ich habe nichts mitbekommen.« Vinzi machte sich ernsthafte Vorwürfe.
Plotek versuchte aufzustehen.
»Geht’s?« Vinzi griff wieder entschlossen zu.
»Geht.«
Plotek hatte sich erhoben. Er war aber nach wie vor ganz wacklig auf den Beinen. Die rechte Hand zur Faust geballt, ließ er sich auf das Bett fallen. Er stöhnte. Mehr aus Erschöpfung als wegen der Schmerzen. Auch bereitete ihm die unerträglich stickige Hitze in der Kabine Atemprobleme.
»Was hast du da?« Vinzi zeigte auf Ploteks Faust.
»Wo?« Auch Plotek starrte jetzt auf seine geschlossene Hand. Dann öffnete er sie langsam, wobei er ebenso neugierig hinguckte wie Vinzi.
»Was ist das denn?«, meinte der nur, während beide versuchten, den Gegenstand auf Ploteks Handfläche zu identifizieren.
Plotek hob die Schultern. Nun, viele Möglichkeiten gab es nicht. So wie der Gegenstand in seiner Hand aussah, eigentlich nur eine.
»Ein Amulett«, sagte Vinzi überrascht. »An einer zerfetzten Kette.«
Plotek nickte und fragte, als hätte er keinen blassen Schimmer: »Wo kommt das denn her?«
»Das hast du dem Angreifer vom Hals gerissen!« Vinzi griff nach dem geldstückgroßen Amulett und klappte den kleinen silbernen Deckel auf. Er erschrak. Ein Bild blickte beide an. Ein Porträt. Ein Gesicht. Von einer Frau. Einer jungen Frau.
»Die kenne ich.« Vinzi war völlig konsterniert.
»Was?«
»Ja, das ist. . . das ist Charlotte!«
»Charlotte?«, fragte Plotek, sowie man »Christus?« fragt.
»Ja, in jungen Jahren.« Versonnen sah Vinzi das Bild an. Es zeigte eine vielleicht fünfundzwanzigjährige Frau mit hochgesteckten Haaren und einer langen, leicht gebogenen Nase. Sie war nicht sonderlich schön, sah aber irgendwie beeindruckend aus. Sie erinnerte ein wenig an die ermordete Kommunistin Rosa Luxemburg.
»Wer ist Charlotte?«
»Liebermann, Charlotte Liebermann«, sagte Vinzi, so wie man »der Heilige Geist« sagt. Er schmunzelte versonnen. »Wir waren mal zusammen. Nur für eine kurze Zeit. Mitte
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