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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Bluse, und schnappte nach seinem Arm. »Komm doch herein!« Das war kein Angebot, das war ein Befehl. Dem zu widersetzen sich Plotek angesichts des kommandoähnlichen Tonfalls nicht traute. Wie schnell werden Worte zu Waffen; wie schnell führt Sprache zum aufgeschlitzten Bauch und eine Befehlsverweigerung zu einem Gesicht ohne Augen. Herlinde zerrte Plotek in die Kabine. Eine Kabine wie jede andere auch. Nur dass diese hier besser eingerichtet wirkte. Wohnlicher, heimeliger. Auch aufgeräumter. Eine Spur individueller als die anderen. Ein paar Blümchen auf dem Schreibtisch. Ein paar Bilder an der Wand. Und ein höchst spezifischer Duft in der Luft. Hier roch es nach ätherischen Ölen. Eukalyptus, Menthol. Nach verdampfenden Kräutern. Nach Hölzern und Harzen, von Räucherstäbchen vermutlich. Ohne dass es irgendwo qualmte. Der Geruch als Reminiszenz an fernöstliche Völker und Länder.
    »Setz dich doch!« Schon saß er, oder besser: war er von ihr durch einen kleinen liebevollen Schubs auf das Bett unter dem Bullauge platziert worden. Da hockte er nun wie auf dem Klo. Mit noch hochgezogener Hose und dem Gefühl, einen entscheidenden Fehler begangen zu haben. »Das freut mich aber, dass du mich besuchst.« Herlinde setzte sich neben ihn. So dicht, dass sich ihre Oberschenkel flüchtig berührten. Jetzt erst fiel Plotek auf, dass Herlinde Vogler-Huth gar nichts anhatte. Na ja, zumindest nicht viel. Sie trug lediglich ein Stück aus glänzendem Stoff, vermutlich Satin, eine Mischung aus zu kurz geratenem Morgenmantel und viel zu engem Poncho. Der über ihr hing und wie ein zu heiß gewaschenes und kläglich eingegangenes Kein-Mann-Zelt aussah. Jetzt bemerkte er auch die Musik, die leise im Hintergrund vor sich hin flötete und sich zusammen mit dem exotischen Geruch zu einer Atmosphäre vereinte, geradezu verdichtete, der Plotek normalerweise weiträumig aus dem Weg ging. Es war diese Panflötenscheiße, mit der touristenkompatible Vertreter indigener Völker in westdeutschen Fußgängerzonen die Passanten oft bis aufs Blut nerven.
    Plotek versuchte erneut, sein Anliegen zu formulieren. »Ich, äh, bin... bin gekommen, um, weil, wegen...«, stocherte er herum, durch Poncho und Panflöte ganz aus dem Konzept gebracht. Er suchte nach einem Anfang. Erst recht nach einem schnellen Ende, um die Kabine und diese sich in einer fremden und befremdlichen Kultur wohlig suhlende Herlinde Vogler-Huth so bald wie möglich zu verlassen.
    »Aber nicht wegen dem Quark, oder?« Herlinde ging wieder dazwischen, mit dem präzisen Schnitt eines japanischen Wakizashi-Schwerts der Edo-Periode. Sie lachte mehrdeutig. Jetzt könnte man sich fragen, wie man mehrdeutig lachen kann. Herlinde Vogler-Huth konnte es. Sie war darin sogar ganz groß. In diesem Fall lachte sie freudig und wollüstig zugleich. Beschwingt, aber auch triebhaft. Es klang anrüchig und begehrlich. Das Lachen war ein Versprechen. Gleichzeitig auch eine versteckte Drohung. Welcher Quark, dachte Plotek. Während Herlinde ihm mit den Fingern, die bis in die Spitzen austrainiert waren, über die Wangen strich und ihm dabei einen Blick in den Poncho aufdrängte, in ein ausladendes, auch einladendes Dekollete, der zweierlei bewirkte. Erstens überlegte er, wie er aus dieser Kabine entkommen könnte, besser jetzt als gleich. Und zweitens ertappte er sich dabei, dass er sich fragte, wie eine Frau in so fortgeschrittenem Alter so jugendlich aussehende Brüste haben konnte. Zu erstens fiel ihm nichts ein. Zu zweitens auch nichts. Zunächst. Dann doch: plastische Chirurgie. Soll heißen: Schöpfungskorrektur, kosmetisches Dementi. Silikon, Botox und das alles. Eine Ohrfeige für Gottes sechstägigen Schöpfungsakt, dessen Schludrigkeiten nun ganze chirurgische Abteilungen bitter mit Überstunden bezahlen mussten. »Das sieht schon viel besser aus«, sagte Herlinde, und Plotek nickte. Bis er merkte, dass sie nicht ihre korrigierten Titten unterm Poncho meinte, sondern seinen Sonnenbrand im Gesicht. Das Rot der Gesichtsfarbe hatte sich längst einem von der Schönheitsindustrie als gesund und erstrebenswert propagierten Braun genähert. »Was führt dich also zu mir?«, fragte Herlinde, während nun aus ihrem Poncho ein steiler, manche würden sagen: geiler Geruch hervorströmte. Ein Geruch, der sich von dem in der Kabine einerseits deutlich abhob, ihn aber andererseits auch harmonisch ergänzte. Ein Geruch, der nicht an indigene Völker erinnerte. Dafür an Tantra, Kamasutra und

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