Aina - Herzorgasmus
noch nicht klar. Auch wusste sie immer noch nicht, warum Reces Bruder plötzlich ihren Tod wollte. Wo er doch eine Abmachung mit ihrer Mutter hatte, die Ainas Schutz vorsah. Wenn der Kerl, den Aina angegriffen hatte, wirklich ein Vampir war, war er doch unsterblich. Was war also sein Problem? Gefiel ihm einfach nicht, dass sie einen ihrer Beschützer attackiert hatte? Aber woher hätte sie denn wissen sollen, dass er für ihren Schutz zuständig war? Sie hatten sie ja all die Jahre im Ungewissen gelassen. Es musste etwas Anderes gewesen sein, das ihm sauer aufgestoßen war, dachte Aina. Vielleicht war der Kerl sein Lieblingsvampir gewesen? Aina schnaufte und klappte das Buch über schwarze Magie zu. Nein, dachte sie. Das war lächerlich.
Alva setzte sich irgendwann am späten Nachmittag zu ihr und lächelte sie liebevoll an. Aina mochte sie. Sie hatte ein nettes Gesicht und war immer sehr warmherzig. Sie passte gut zu ihrem Vater. Auch, wenn sie manchmal etwas unheimlichwirkte, mit ihrem wissenden Blick. »Willst du mir nicht sagen, wonach du suchst, Aina?«, fragte sie vorsichtig. »Vielleicht kann ich dir helfen.«
Aina holte tief Luft und seufzte. »Nichts Bestimmtes«, sagte sie und wich ihren Blicken aus.
»Hm«, machte Alva und betrachtete die Bücher, die neben Aina auf der Bank lagen. »Du kommst seit gestern her und durchsuchst alle mein Bücher nach nichts Bestimmtem?«
Aina senkte den Blick und schob sich verlegen ihr Haar hinters Ohr.
»Hat das etwas mit deinem Unfall zu tun?«, fragte Alva.
Aina sah auf und schüttelte dann mit dem Kopf. »Es war ja kein richtiger Unfall«, sagte sie. Sie hatte allen erzählt, sie sei aus dem Wagen gesprungen, bevor er den Abhang hinunter gerutscht war und sei dann zum Schloss zurückgegangen. Mit Schaudern erinnerte sie sich daran, wie sich durch Reces Blut ihre Knochen wieder gerichtet hatten und ihre Wunden verheilt waren. In Sekundenschnelle. Es war einfach unglaublich! Sie konnte es immer noch nicht fassen. Doch es war geschehen. Er hatte sie gerettet. Und sie verstand immer noch nicht, warum. Sofort kam ihr wieder die Nacht in den Sinn, die sie zusammen verbracht hatten. Die Nacht, in der sie das Böse und all ihre Schatten angenommen hatte. Seit dem war sie wie ausgewechselt. Was natürlich auch ihrem Vater und Alva aufgefallen war und was ihnen besonders große Sorgen machte, denn… sie war regelrecht high vor Glück. Sie war sich nicht sicher, ob es an dieser Nacht gelegen hatte oder an seinem Blut. Sie wusste nur, dass sie verändert war. Sehr verändert. »Weißt du irgendetwas über Schatten?«, fragte Aina jetzt und sah Alva neugierig an.
Diese hob überrascht die Augenbrauen. »Schatten? Du meinst Schattenseiten des Bewusstseins? Verdrängte Gefühle usw.?«
Aina nickte. »Ja, zum Beispiel.«
»Nun ja«, sagte sie. »Alles, was man verdrängt oder bekämpft, wird zu einem Schatten. Das heißt, man trennt etwas von seinem Gegenpol.«
Aina wurde hellhörig. Rece hatte ebenfalls von Polen gesprochen, als er ihr erzählt hatte, dass er die ganze Welt unter Kontrolle hielt. Auf einmal fragte sie sich, warum er ihr das überhaupt erzählt hatte. Schnitt er sich damit nicht ins eigene Fleisch? Offenbar war seine Existenz und die Kontrolle, die er über die Welt hatte, doch geheim. Sie runzelte verwirrt die Stirn, als sie Alva weiter zuhörte.
»Die Trennung verursacht Leid. Jeder Mensch trägt zum Beispiel Gutes und Böses in sich.« Dabei sah sie Aina bedeutsam an. »Es bildet im Normalfall eine Einheit. Harmonie. Keine der beiden Seiten ist stärker oder schwächer. Verdrängt man aber das Böse, trennt man die Einheit in zwei gegensätzliche Pole. Das Böse wird zu einem Schatten und wird stärker, je mehr man es bekämpft, da es mit aller Macht versuchen wird wieder zur Einheit mit seinem Gegenpol zurückzufinden. Außerdem bekommt etwas, das man bekämpft oder verdrängt, stetig Aufmerksamkeit. Und somit erhält es immer mehr Kraft.«
Aina sah sie mit großen Augen an. Rece hatte offensichtlich wirklich die Wahrheit gesagt. Je mehr sie das Böse in sich und auf der Welt verdrängte, umso stärker wurde es. Weil sie es von seinem Gegenpol, dem Guten, trennte und ihm ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Verrückt, dachte sie. Sie hätte nie gedacht, dass sie etwas stärker machte, indem sie es bekämpfte. Sie hatte immer geglaubt, es würde nur so verschwinden können. »Und… wie löst man dann einen der Pole auf?«, fragte sie nun.
Alva sah sie
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