Aina - Herzorgasmus
sehr nachdenklich an, bevor sie antwortete. »Es ist nicht möglich nur einen Pol aufzulösen«, erklärte sie. »Polebilden immer eine Einheit. Löst sich der eine auf, verschwindet auch der andere. Sie verschmelzen und kehren zu ihrer Einheit zurück.«
»Man kann also das Böse nicht auslöschen?«
»Nein«, sagte Alva. »Solange es das Gute gibt, gibt es auch das Böse. Es sind zwei Pole, die aus ihrer Einheit getrennt worden sind. Bestünde ihre Einheit noch, gäbe es weder das eine noch das andere. Sie wären Harmonie und Frieden.«
Aina dachte einen Moment lang nach und wurde sich langsam darüber bewusst, dass Rece ihr mit seiner Rede von den Polen eine Waffe gegen sich selbst in die Hand gelegt hatte. »Also kann man das Böse nur besiegen, indem man die Pole auflöst? Sowohl Gut als auch Böse?«
Alva nickte. »Ja, ich denke schon.«
»Und wie…« Aina brauchte die Frage gar nicht stellen, da antwortete ihr Alva schon.
»Um Schatten aufzulösen, muss man sie nur annehmen. Man darf sie nicht mehr bekämpfen. Ich glaube«, sagte sie und sah Aina dabei eindringlich und doch verständnisvoll an, »du hast das Böse in dir – das, was du für böse gehalten hast – so sehr bekämpft und unterdrückt, dass es dich völlig kontrolliert hat. Das geschieht immer, wenn man etwas bekämpft. Man verliert die Kontrolle darüber. Ich bin froh, dass du jetzt offen dafür bist. Ich habe dir das schon so lange sagen wollen, Aina.« Sie streichelte ihr über die Hand und lächelte liebevoll.
Doch Aina war mit ihren Gedanken ganz woanders. Es war ihr ein Rätsel, warum Rece ihr das alles anvertraut hatte. Die Sache mit der polaren Welt und dem Auflösen von Gegensätzen, indem man sie annahm. Er hatte ihr damit einen Weg gezeigt, wie sie zu ihrem eigenen inneren Frieden finden konnte. Auch, wenn sie es noch nicht schaffte alles, was sie zuvor abgelehnt hatte, anzunehmen, hatten sich ihre Gedanken und Gefühle seitdem schon um 180 Grad gedreht. Sie hatte sich spürbar verändert. Ob dies nur durch ihr erotisches und hoch explosives Erlebnis mit ihm geschehen war? Es begann erneut in ihr zu kribbeln, als sie daran dachte. Er hatte ihr einen Weg gezeigt, wie sie sich selbst annehmen konnte. Mit allem, was sie war. In einem Moment der totalen Ekstase war es ihr gelungen. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Doch was er ihr noch gezeigt hatte, war auch ein Weg, um ihn loszuwerden. Denn, wenn das Böse aus ihrem Leben verschwand, indem sie es annahm, musste auch er verschwinden. Denn er verkörperte das Böse. Sie wusste zwar nicht wie, aber es erschien ihr logisch. Die Frage war nur: Wollte sie das?
22
Blutgier
Ramon krümmte sich vor Schmerzen, doch er ließ Ainas Fenster nicht aus den Augen. Es war noch auszuhalten und nicht annähernd so schlimm wie die Qualen, die er sechs Jahre lang über sich hatte ergehen lassen müssen. Doch es hörte nicht auf. Seine Muskeln krampfen sich immer mehr zusammen. Überall. Und es schmerzte. So sehr, dass er immer wieder aufstöhnte, während er gekrümmt an der Mauer stand und in der Dunkelheit Wache hielt. Es fühlte sich an wie der schlimmste Muskelkater seines Lebens. Nur, dass er nicht auf einen Bereich begrenzt war, sondern jede Muskelfaser seines Körpers durchzog. Es schmerzte ihm selbst im Schritt. Er griff sich zwischen die Beine und ging in die Knie. Dabei legte er den Kopf in den Nacken und versuchte ruhig zu atmen. Doch es gelang ihm nicht. Er stieß mit zusammengebissenen Zähnen einen krampfenden Laut aus, als sich seine Rückenmuskulatur zusammenzog und schmiss sich gegen die Mauer. Dabei schlug sein Kopf gegen den Stein und hinterließ ein gewaltiges Loch im Mauerwerk. Er wandte sich erschrocken um und fasste sich an den Hinterkopf. Er war unversehrt. Erstaunt über sich selbst betrachtete er seine Hände einen Moment, spreizte dann seineFinger und strich damit über die Mauer, als wollte er seine Krallen daran wetzen. Der Stein zerbröselte unter seiner Bewegung und es blieben feine Rillen zurück. »Heilige Schei…«, hauchte er erstaunt und krümmte sich wieder vor Schmerzen. Seine Muskeln brannten wie Feuer. Und es wurde immer schlimmer. Sein Stöhnen wurde mit jedem Mal lauter, so dass er jetzt hinter die Mauer lief, damit Aina ihn nicht bemerkte. Dabei stieß er mit der Schulter immer wieder gegen die Wand und riss einige Mauersteine mit sich.
»Ahh!«, schrie er und fiel mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Seine Waden fühlten sich an, als würden sich
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