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Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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mein Vater nicht mehr da ist.«
    »Er war der Geschichtenerzähler.«
    Ich nickte, überrascht, dass sie sich daran erinnerte.
    »Der dich durch seine Geschichten überall hin mitgenommen hat. Wie mein Großvater«, sagte sie. »Oh, da fällt mir ein, dass ich dir was zeigen wollte.«
    Sie zwängte sich an mir vorbei, kletterte vom Baum und zog ein altes Foto aus der Seitentasche ihres Kamera-Etuis. Wieder oben zeigte sie es mir. Es war ein Klassenfoto von Schülern auf einer Treppe, in eine Uniform aus Hemd, Jackett und kurzer Hose gekleidet.
    »Erkennst du ihn?«, fragte Kate.
    »Deinen Großvater?«
    »Du hast ihn doch kennen gelernt.«
    »Da war er aber schon älter.«
    »Komm schon, schau sie dir an. Es ist ganz leicht.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich das Bild des alten Mannes im Krankenbett vor mir. Dann versuchte ich, ihn mir als Kind vorzustellen.
    »Ich weiß es nicht«, gestand ich schließlich.
    »Also ehrlich.« Sie zeigte auf einen der Jungen. »Er sieht doch genauso aus wie ich.«
    »Findest du?«
    »Siehst du das denn nicht?«
    »Ach so, ja, lange rotbraune Haare, Faltenrock …«
    »Männer haben einfach keinen Blick für so was. Ist er nicht süß? Schau dir nur seine niedlichen, abstehenden Ohren an. Und findest du nicht, dass er am unordentlichsten von allen aussieht? All die anderen Jungs machen einen ganz adretten Eindruck, nur seine Schuluniform ist zerknittert, als wäre er gerade einen Hügel runtergekullert.«
    »Vermutlich war er damals schon ständig auf Abenteuer aus«, sagte ich.
    Sie betrachtete das Bild. »Ja«, sagte sie dann traurig.
    »Du hast schon Recht, er hat deine Augen«, sagte ich zu ihr.
    Sie strahlte mich an. »Das hier wird beweisen, dass er Recht hatte«, sagte sie und deutete mit einem Nicken auf das Skelett. »Niemand wird ihn dann noch für verrückt halten können, nicht mal meine Mutter.« Sie schaute auf die Uhr. »Wir liegen gut in der Zeit. Es ist erst kurz nach zehn.«
    »In einer halben Stunde sollten wir zurückgehen. Ich habe um zwölf wieder Dienst.«
    Wir fuhren mit unserer Arbeit fort und nahmen das Skelett Knochen für Knochen auseinander. Fast kam es mir so vor, als würden wir es stehlen. Eine Reisetasche schien mir nicht der angemessene Aufbewahrungsort für die Knochen dieses Tiers. Endlich war der letzte Wirbelknochen hineingewandert. Ich verschloss die Tasche und hob sie hoch. Sie war kaum schwerer als auf dem Hinweg. Ich betrachtete den leeren Ast vor mir. Wir waren fertig.
    »Ich hoffe, wir können die Knochen auch wieder zusammensetzen«, sagte Kate.
    Als ich sie »wir« sagen hörte, musste ich leise lächeln, denn bei dieser Aufgabe würde ich nicht mehr dabei sein. Gerade, als ich sie daran erinnern wollte, drang in beunruhigender Nähe von uns ein furchtbarer Schrei durch den Wald, der sogleich wieder verstummte.
    Die Vögel hörten auf zu zwitschern, die Insekten summten nicht mehr, selbst der Wind hielt den Atem an. Sämtliche Ohren des Walds schienen zu lauschen. Kate und ich schauten uns an.
    Da hörte ich etwas leise in den Blättern rascheln. Es kam aus dem Baum neben uns und war nicht zu übersehen: ein grellbunter Papageienflügel trudelte durch die Zweige, jedoch ohne Papagei. Er verschwand zwischen den Farnen am Waldboden, bis ich nur noch einen Farbklecks im Grün erkennen konnte.
    Ich starrte darauf, während mein Verstand einen Moment lang nur auf halber Kraft lief.
    Etwas hatte soeben diesen Papagei verschlungen.
    Etwas hatte den Papagei verschluckt, aber den Flügel ausgespuckt.
    Dort unten lag ein Flügel im Gras.
    Die Geräusche setzten wieder ein. Langsam hob sich mein Blick und kletterte den Baum empor. Hoch über uns huschte etwas durch das Laub. Es streifte wie ein schmaler Nebelfetzen durch die Zweige, ehe es hinter einem Vorhang aus Efeuranken und Blättern verschwand.
    »Ich kann es sehen«, flüsterte Kate.
    Es sprang.
    Es war lang und schlank mit einem geschmeidigen, wolkenweißen Fell und so schnell, dass sich die Augen kaum darauf konzentrieren konnten. Als es durch die Lücke zwischen den Bäumen schnellte, öffneten sich einen Sekundenbruchteil lang seine Flügel und plötzlich war es ein riesiges, völlig anderes Wesen. Genauso schnell wurden die Flügel wieder eingezogen und es verschwand wie ein Nebelstreif zwischen den Zweigen.
    Ich konnte meinen eigenen krächzenden Atem hören. Meine Stimme klang, als würde mir jemand die Luftröhre abschnüren.
    »Es sitzt auf unserem Baum.«
    Die Köpfe weit im Nacken

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