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Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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und die Hände schützend vor die Augen gelegt, suchten wir den Baum ab. Doch die Sonne war zu hell. Ich musste ständig blinzeln und den Blick abwenden. Alles, was ich sehen konnte, war ein weißes Aufblitzen inmitten des Grüns. Mein ganzer Körper schien mit flüssigem Blei gefüllt zu sein.
    Hoch oben sah ich einen Streifen wolkenweißen Fells neben dem dicken, dunklen Stamm, und ich begriff, dass sich die Kreatur an die andere Seite des Baums klammerte und sich dahinter versteckte. Dann zeigte es sich endlich. Gelenkig wie eine Schlange schob es sich hinter dem Stamm hervor, kopfüber im Baum hängend. Kates heiße Hand schloss sich um meinen Arm.
    Es war ein weißer Panther, eine Fledermaus, ein Raubvogel. Ohne die Flügel wirkte es schlank, fast mager. Die Schultern traten hervor, und auf dem Rücken prangte ein Buckel, bis mir klar wurde, dass es sich um die riesigen Flügel handelte, die eng zusammengefaltet waren. Das Tier war kleiner als das Skelett, das wir auseinander genommen hatten, und maß höchstens eineinhalb Meter vom Kopf bis zum Schwanz. Sein Gesicht ähnelte dem einer Katze, nur länger, mit einer niedrigen Stirn und stark ausgeprägten, dunklen Nüstern in dem weißen Fell. Es war das Gesicht eines Panthers, wenn auch insgesamt stromlinienförmiger, wie dafür geschaffen, durch die Lüfte zu schneiden. Die großen Augen funkelten vor Klugheit im Sonnenlicht. Es war wirklich ein unglaublich schönes Tier. Und gleichzeitig auch Furcht erregend.
    »Ich brauche meine Kamera«, flüsterte Kate. Ihr Gesicht war bleich und sie zitterte.
    »Rühr dich nicht«, zischte ich.
    Kate richtete sich langsam auf. Ich packte sie am Arm, um sie aufzuhalten, doch sie riss sich los. Ich sah, wie das Tier die Muskeln anspannte, und wusste nicht, ob es nur verblüfft war oder sich gleich auf uns stürzen wollte. Über uns an einem Ast hing immer noch die Kamera. Kate nahm sie und richtete das Objektiv nach oben. Sie drückte den Auslöser und ein greller Blitz leuchtete auf.
    Das Tier kreischte und floh auf einen höheren Ast, ehe es mit einem Satz den Baum verließ.
    »Los, komm!«, sagte Kate und kletterte hastig den Stamm hinunter. Ich folgte ihr. Während ich noch überlegte, ob es wirklich klug war, dem Tier nachzulaufen, war Kate bereits auf und davon. Kurz schien es, als hätten wir seine Spur verloren, und Erleichterung machte sich bereits in mir breit. Doch dann deutete Kate mit dem Finger nach oben. Ich sah einen blitzschnellen, wolkenweißen Strich, als das Tier auf einen anderen Baum sprang.
    Offenbar folgte es einem ihm wohl bekannten Weg, denn es flog in einer geraden Linie dahin. Es sprang von Baum zu Baum und berührte dabei kaum die Äs te, ehe es erneut zum Sprung ansetzte. Die Zweige zitterten nicht einmal, wenn es auf ihnen landete. Während es zwischen den Bäumen dahinsauste, öffnete das Tier ab und an ein wenig die prächtigen Flügel. Das weiße Fell schimmerte in der Sonne.
    Nun war mir klar, wieso sämtliche Luftmatrosen über die Jahre hinweg diese Tiere übersehen hatten. Vor dem Grün der Bäume würden sie vermutlich dunkel, doch vor einem Wolkenhimmel verschwanden sie fast völlig mit ihrer normalen hellen Farbe. Selbst an einem blauen Himmel würde einem der Verstand sagen, dass es sich lediglich um kleine Wolkenfetzen handelte. Und auch über dem Meer würde man sie nur für Schaum auf dem Wellenkamm halten. Es war daher durchaus möglich, dass ich sie schon früher gesehen hatte, ohne sie zu bemerken.
    Den Kopf in den Nacken gelegt rannten wir hinter dem Tier her, während es durch den Wald sauste. Doch es war schneller als wir und würde uns bald abgehängt haben.
    Die Bäume wurden seltener und hörten irgendwann ganz auf. Das Wesen warf sich mit ausgebreiteten Flügeln in die Luft und verschwand vor unseren Augen in die Tiefe. Ich schnappte nach Luft. Wir krochen so nah wie möglich an den Rand der Steilküste. Unter uns sahen wir, wie das Tier mit gespreizten Flügeln die Klippen hinuntersprang und von einem zerzausten Baumwipfel zum nächsten schnellte. Selbst als der Boden wieder eben wurde, sprang es weiterhin über das Blätterdach des Waldes.
    »Es kann nicht fliegen«, sagte Kate. »Es weiß nicht, wie man fliegt.«
    »Sein linker Flügel«, sagte ich. »Sieh nur.«
    Jedes Mal, wenn das Tier die Flügel spreizte, breitete sich der eine zu voller Länge aus, der andere jedoch entfaltete sich nie gänzlich. Vielleicht war es einmal verletzt worden oder vielleicht war sein

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