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Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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linker Flügel irgendwie verkümmert, sodass es nicht fliegen konnte.
    Vielleicht hatte es nie Fliegen gelernt. Ein Tier, das fliegen konnte, würde nicht von Baum zu Baum hüpfen; es würde hoch über dem Wald dahingleiten. Wir schauten zu, wie das silberne Tier sich immer weiter von uns entfernte und im fernen Geäst verschwand.
    »Ich wette, es lebt dort drüben«, sagte Kate. »Ich wette, dort ist sein Nest! Können wir nicht irgendwie dorthin kommen?«
    »Wir müssen zurück.«
    »Du weißt, was für ein Tier das ist«, sagte sie.
    »Ja. Ich weiß.«
    »Es ist das Junge, das Großvater gesehen hat«, sagte sie. »Es ist das Junge, das vom Himmel gefallen ist.«

    Wir konnten gar nicht mehr aufhören zu reden; wir sprudelten geradezu über vor Mitteilsamkeit. Wir redeten über das Tier und darüber, was wir als Nächstes tun würden. Kate wollte nach seinem Nest suchen, doch das Gelände war zu steil und wir hatten keine Zeit mehr. Wir mussten den Rückweg antreten. Ich würde sowieso schon zu spät kommen. Auf dem Rückweg purzelten die Worte aus uns heraus und schwirrten durch die feuchte Luft.
    »Irgendwie hat er den Sturz überlebt«, sagte sie.
    »Es ist unglaublich. Dass er dabei nicht umgekommen ist. Dass er seinen Fall so bremsen konnte und unversehrt gelandet ist.«
    »Aber er hat nie gelernt, wie man fliegt.«
    »Ich glaube, einer seiner Flügel ist missgebildet«, sagte ich.
    »Aber würde ihn das wirklich am Fliegen hindern?«
    »Oder vielleicht hat er nach dem Sturz einfach nicht mehr den Mut gehabt, es auszuprobieren«, schlug ich vor.
    »Warum die anderen wohl nie nach ihm gesucht haben …«
    »Sie haben ihn einfach verlassen«, sagte ich. »Die Mutter hat ihr eigenes Kind zurückgelassen.«
    »Sie hätte ja nichts für ihn tun können«, meinte Kate. »Sie konnte ihn ja nicht tragen.«
    »Aber sie können große Fische aus dem Meer holen. Das hat dein Großvater zumindest geschrieben.«
    »Vielleicht haben sie gedacht, er sei tot. Oder vielleicht sahen sie auch keinen Sinn darin, ihn zu retten. Denn wenn er nicht fliegen konnte, hätte er bei ihnen sowieso nicht überleben können.«
    »Das kommt mir ziemlich grausam vor«, meinte ich. »Vielleicht hätte er ja einfach nur ein bisschen länger gebraucht. Bis sein Flügel verheilt war oder er es trotz seiner Behinderung gelernt hätte. Bestimmt wäre trotzdem ein guter Flieger aus ihm geworden.«
    »Es sind Tiere«, erklärte sie mir. »Die denken nicht wie wir. Bei ihnen gilt eben, dass nur der Stärkere überlebt.«
    »Aber selbst Tiere empfinden Zuneigung zu ihren Nachkommen«, wandte ich ein.
    »Das stimmt«, sagte sie. »Ich habe Schimpansen gesehen, die viel netter waren als meine Eltern.«
    Wir lachten und wanderten eine Weile schweigend weiter, während uns alles Mögliche durch den Kopf ging.
    Schließlich fing Kate stirnrunzelnd an zu sprechen, während sie laut dachte. »Er ist abgestürzt und auf einem Baum oder sonst einer weichen Stelle gelandet. Er hatte keine Mutter, die ihn fütterte. Irgendwie hat er überlebt, indem er sich von Vögeln, Insekten und all den anderen kleinen Lebewesen hier ernährt hat. Oder von Beeren und Früchten. Was für eine unglaubliche Geschichte.«
    »Immerhin gibt es hier auf der Insel keine Tiere, die ihn jagen würden«, sagte ich. Ich wollte ebenfalls klug und methodisch wirken. »Er hat also auch Glück gehabt.«
    »Ja«, stimmte Kate zu. »Aber er hat sich sehr gut an seine Umgebung angepasst. Das sieht man schon daran, wie er von Baum zu Baum springt. Hast du gesehen, wie er sich von den Bäumen abgestoßen hat? Seine Beine sind sehr stark. In der Luft müssen sie nicht so stark sein. Damit er hier überleben kann, haben sich bei ihm andere Muskeln entwickelt als bei seinen Artgenossen.«
    »Trotzdem passt er nicht hierher. Sein Fell hat die völlig falsche Farbe für ein Leben im Wald. Er hebt sich viel zu sehr von seiner Umgebung ab. Wenn es Raubtiere gäbe, wäre er leichte Beute für sie.« Ich seufzte. »Er sollte fliegen und nicht in den Bäumen herumhüpfen. Er ist zum Fliegen geboren.«
    »Dieser hier offenbar nicht. Vielleicht hat er eine Missbildung, wie du gesagt hast, und seine Flügel funktionieren nicht richtig. Dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich so fortzubewegen.«
    Er tat mir Leid, so gefangen an Land. Wenigstens hatte er das Fliegen nie gekannt. So musste er nichts vermissen, wurde nicht von Sehnsucht gequält. Ich fragte mich, ob er sich wohl an den schrecklichen

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