Airborn 01 - Wolkenpanther
ein schrecklich aufregender Gedanke?«
»Mir gefällt, dass es niemals landen muss«, sagte ich.
»Das glaube ich gern«, sagte sie lachend, doch dann schaute sie mich ganz ernst an. »In der Luft geboren, genau wie du. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
Ich auch nicht.
»Ihr zwei habt eine Menge gemeinsam.«
»Ich bin nur nicht ganz so knochig«, sagte ich.
Zufrieden machte Kate sich wieder an die Arbeit. Ich verpackte weiter die Knochen in ihrer Unterwäsche.
»Wenn ich meine wissenschaftlichen Aufsätze schreibe«, erklärte Kate nun, »dann werde ich erwähnen, dass wir die Knochen gemeinsam gefunden haben und du maßgeblich daran beteiligt warst, sie zu erhalten.«
»Vielen Dank, das ist wirklich nett von dir.«
»Es ist nur gerecht«, sagte sie. »Wenn du dich je dazu entschließen solltest, auf die Universität zu gehen, wird dir das bestimmt zugute kommen.«
»Ich hatte noch nie den Wunsch, zur Universität zu gehen.«
»Nein? Was wünscht du dir dann?«
»Ich möchte Luftschiffe fliegen.«
»Na, du bist doch vermutlich schon auf dem besten Weg dahin.«
»Nicht wirklich«, sagte ich und erzählte ihr von meinem Unglück. Auch wenn es vermutlich nicht sehr klug von mir war, schilderte ich, wie ich erwartet hatte, nach dieser Reise zum Segelmachergehilfen befördert zu werden, und dass dann Bruce Lunardi wegen seines verflixten Vaters meine Stelle bekommen hatte. Und dass ich deswegen immer noch Kabinensteward war.
»Das ist wirklich furchtbar ungerecht«, rief sie empört. »Jetzt kann ich diesen Lunardi noch weniger leiden.«
Ich musste lächeln. Eine schönere Reaktion hätte ich mir nicht wünschen können.
»Ich werde einen Brief schreiben«, verkündete Kate vor Wut schäumend.
»Nein, tu das bitte nicht«, sagte ich.
»Ich hasse es, wenn das Leben so ungerecht ist«, murmelte sie. »Du solltest auf jeden Fall zur Luftfahrt-Akademie gehen, wenn du älter bist.«
»Das ist nicht so einfach«, wehrte ich ab.
»Warum nicht?«
»Es kostet Geld und davon habe ich nicht sehr viel. Genau genommen besitze ich keinen Pfennig.«
»Es gibt doch bestimmt Stipendien für viel versprechende Bewerber.«
Ich nickte, schwieg jedoch.
»Du brauchst ein Stipendium«, erklärte Kate in dem Glauben, damit seien all meine Probleme gelöst. »Nach deiner Ausbildung kannst du zum Segelmacher aufsteigen, dann wirst du Offizier und danach Kapitän. Es wäre eine fürchterliche Schande, wenn jemand, der so begabt ist wie du, es nicht schaffen würde.«
Ich hatte keine Lust, weiter darüber zu reden. Die Ausbildung an der Akademie dauerte mindestens zwei Jahre – zwei Jahre, in denen ich kein Geld verdienen würde, um es meiner Mutter und meinen Schwestern zu schicken. Sie waren von mir abhängig. Selbst wenn die Akademie mir ein Stipendium und einen Studienplatz anbot, würde ich es deswegen nicht annehmen können. Aus irgendeinem Grund brachte ich es nicht über mich, Kate dies zu sagen. Ich schämte mich. In Gegenwart von ihr und ihrem ganzen Wohlstand kam mir allein schon die Vorstellung, arm zu sein, lächerlich vor. Ganz unmöglich. Sie meinte es nur gut, aber ich bezweifelte, dass sie eine Ahnung davon hatte, wie die Welt außerhalb ihrer Geld gepolsterten Seifenblase aussah.
Ich schaute zum Himmel hinauf, bemerkte den hohen Stand der Sonne und seufzte.
»Eigentlich sollten wir uns jetzt dem Hafen von Sydney nähern«, sagte ich.
Sie drehte sich zu mir. »Was passiert, wenn wir dort nicht ankommen?«
Offenbar war dies das erste Mal, dass sie darüber nachdachte. Ich fürchtete mich vor dem Gedanken und hatte ihn aus meinem Kopf verdrängt. Bis zu diesem Moment hatten meine Mutter, Isabel und Sylvia nicht gewusst, dass wir in Schwierigkeiten steckten. Sie hatten sich keine Sorgen gemacht. Das würde sich nun ändern, vielleicht nicht heute, aber bald. Ich fragte mich, wie meine Mutter damit fertig würde, nach dem, was meinem Vater zugestoßen war.
»Man wird uns als vermisst melden. Alle werden denken, wir seien ins Meer gestürzt und ertrunken.«
»Oh je«, sagte sie.
»Deine Eltern werden sich große Sorgen machen.«
Sie wandte sich wieder dem Skelett zu. »Naja, sie werden auf jeden Fall einen Riesenzirkus veranstalten.«
Ich starrte ihren Hinterkopf an, zweifelnd, ob ich sie richtig verstanden hatte.
»Sie werden sämtliche einflussreichen Leute anrufen, die sie kennen«, fuhr Kate fort, »und Informationen und Antworten verlangen. Und sie werden eine groß angelegte Suche
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