Airborn 01 - Wolkenpanther
Aber egal. Junge, Junge, das sind wirklich eine Menge Knochen, findest du nicht?«
»Und ob«, sagte ich.
»Ich habe so was noch nie zuvor gemacht, weißt du«, erklärte sie.
»Ach wirklich?«, erwiderte ich. »Du überraschst mich.«
»Sei ruhig«, sagte sie und lächelte. »Wir machen es so: Ich beschrifte die Knochen, du nimmst sie auseinander und packst sie in die Tasche.«
»Auf diesen Moment habe ich mein ganzes Leben lang gewartet«, sagte ich. »Ein Herzenswunsch geht in Erfüllung!«
»Spar dir deinen Sarkasmus, Cruse.«
Sie begann mit dem Schädel vor uns und arbeitete sich dann die Wirbelsäule entlang. Ich holte tief Luft, nahm den Schädel mit beiden Händen und rüttelte ihn sanft, um ihn vom Rückgrat zu lösen.
»Du bist doch vorsichtig, ja?«, fragte sie.
»Ja, klar.«
»Sie sind sehr zerbrechlich.«
»Willst du es lieber selbst machen?«
»Nein, nein, ich vertraue dir. Sei einfach nur vorsichtig.«
Mit einem leisen Knacken löste sich der Schädel und ich hielt ihn plötzlich in den Händen. Er war unglaublich leicht. Der Unterkiefer klappte nach unten und wäre fast zu Boden gefallen.
»Das war knapp«, kommentierte Kate.
»Hör auf, mich zu beobachten«, sagte ich zu ihr, »ich krieg das schon hin.«
Ein paar Zähne fielen aus dem Maul, die ich im letzten Moment noch auffangen konnte. Behutsam verstaute ich Schädel und Zähne in der Tasche.
Eine Weile arbeiteten wir schweigend vor uns hin, Kate beschriftete die Knochen und ich nahm anschließend das Skelett auseinander. Ich wickelte die einzelnen Teile in Taschentücher, Unterhosen, Strümpfe und andere Frauenkleider, die ich noch nie gesehen und schon gar nicht angefasst hatte. Irgendwann wurde mir klar, dass es sich ja um Kates Kleider handelte, und meine Wangen brannten vor Verlegenheit. Ich konzentrierte mich wieder auf die Wirbel, diese verzwickten, kleinen Dinger, aber sie ließen sich ohne Probleme auseinander nehmen.
Kate schaute zu mir herüber und schnaubte. Im ersten Moment dachte ich, ich würde etwas falsch machen.
»Hätten wir doch bloß richtiges Verpackungsmaterial«, sagte sie.
»Ich bin überrascht, dass du nicht daran gedacht hast, so etwas auf deine Reise mitzunehmen.«
Sie lächelte. »Wir müssen uns eben mit dem behelfen, was wir haben. Angesichts der Umstände schlagen wir uns doch ziemlich gut, finde ich.«
»Diese Flügelknochen werden den Transport niemals überleben«, sagte ich und deutete mit einem Kopfnicken auf die biegsamen, dünnen Stangen am Ende des Arms.
Sie zog eine Grimasse. »Ich weiß. Sie werden bestimmt zerbrechen. Wickle sie einfach so gut wie möglich ein.«
Wir arbeiteten schweigend weiter. Ich fand es nach wie vor nicht sehr angenehm, im Wald zu sitzen, und hatte immer noch das Gefühl, von allen Seiten bedrängt zu werden. Die Luft wurde dicker, während die Sonne immer höher stieg. Mein Herz schien wie lose in meiner Brust zu hüpfen. Während meine Hände jeden einzelnen Knochen des Tiers verpackten, bewunderte ich ihre Leichtigkeit. Es schien fast, als wären sie mit Hydrium gefüllt und würden am liebsten aus meinem Griff davonfliegen. Leichter als Luft. Ich lächelte vor mich hin.
»Ein erstaunliches Geschöpf«, murmelte Kate immer wieder, während sie mit ihrem Wachsstift das Skelett entlangrutschte. »Wirklich erstaunlich. Ich habe übrigens mal was über Pterosaurier gelesen. Weißt du, was das sind?«
»Nein.«
»Flugechsen. Oder zumindest dachte man das lange Zeit. Echsen, die vor achtzig Millionen Jahren ausgestorben sind. Aber nicht alle Forscher sind dieser Meinung. Vielleicht handelte es sich bei ihnen gar nicht um Reptilien. Vielleicht waren sie Säugetiere oder haben sich zumindest irgendwann zu Säugetieren entwickelt …«
Ich kannte mich damit nicht aus und schwieg deshalb lieber. Irgendwie bedrückte mich all dieses Wissen aus Büchern, die ich nicht kannte und vermutlich niemals kennen lernen würde. Ich liebte Bücher, aber sie waren teuer und wogen zu viel und außerdem fehlte mir die Zeit zum Lesen. Kate jedoch schien alle Bücher dieser Erde auswendig zu kennen.
»Stell dir nur mal vor, wie viele Tiere es früher einmal gab«, fuhr sie fort. »Und die mittlerweile alle ausgestorben sind. Nicht nur die Dinosaurier, sondern auch alle anderen Kreaturen, die irgendwann mal auf der Erde geflogen, gekrabbelt, gelaufen und gehüpft sind. Vielleicht ist das hier eines dieser Tiere, dem es gelungen ist, im Verborgenen zu überleben. Wäre das nicht
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