Airborn 01 - Wolkenpanther
gestreiften Anzug wirkte sie so adrett und berühmt und viel damenhafter, als ich sie in Erinnerung hatte, und ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. In zerrissenen Pluderhosen mit Dreckspuren im Gesicht hatte sie mir besser gefallen.
»Er war wirklich tapfer«, sagte ich. »Bruce, meine ich.«
Sie nickte ernst. »Er hatte große Schmerzen und hat dennoch nicht aufgegeben. Es macht mich immer noch traurig, wenn ich an ihn denke.«
Ich dachte oft an ihn. Ohne Bruce wären wir nicht entkommen. Es tat mir sehr Leid, dass ich immer eine gewisse Abneigung ihm gegenüber verspürt hatte. Am traurigsten jedoch war, dass er starb ohne herauszufinden, was sein Traum war – was er am meisten liebte und was er mit seinem Leben anfangen wollte. Er hatte nie die Gelegenheit dazu gehabt.
»Ich fliege wieder hin, weißt du«, sagte Kate. »Zur Insel.«
Das überraschte mich nicht. »Wann?«
»Sobald ich das Geld für eine Expedition zusammenhabe. Die Piraten wären jetzt alle verschwunden, heißt es. Wir müssen ein Schiff chartern. Kommst du mit?«
»Natürlich«, sagte ich. »Ich werde dich sogar persönlich hinfliegen, wenn du noch zwei Jahre warten kannst.«
»Das wäre schön«, sagte sie. »Erzähl mir noch mal, wie du sie alle gesehen hast.«
Sie stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und hörte aufmerksam zu, während ich ihr erzählte, wie der Wolkenpantherschwarm um das Schiff herumgeflogen war, Dutzende und Aberdutzende von ihnen.
»Er ist in ihre Herde zurückgekehrt«, sagte sie.
»Ja.«
»Glaubst du, seine Mutter war immer noch da?«
»Keine Ahnung. Ich vermute schon. Wenn sie nicht in der Zwischenzeit gestorben war.«
»Das ist doch ein schöner Gedanke, nicht wahr? Eine Familienzusammenführung.«
»Herzerwärmend. Aber denk daran«, warnte ich sie, »unser hübscher Wolkenpanther würde nicht zögern, dich zu Mittag zu essen.«
»Oh, ich weiß.«
»Sie sind trotzdem wunderschön«, sagte ich.
»Wunderschöne Geschöpfe«, stimmte sie zu. »Ich wünschte, ich hätte die ganze Herde gesehen.«
»Das wirst du noch.«
Wir starrten schweigend über den Fluss.
»Baz heiratet diesen Sommer«, erzählte ich ihr. »Ich habe versprochen, zur Hochzeit zu kommen. Er hat mich gefragt, ob ich sein Trauzeuge werde.«
»Das ist eine ziemlich große Ehre.«
»Ich fühle mich eigentlich noch zu jung, um Trauzeuge zu sein«, gestand ich.
»Er kann froh sein, dich zum Freund zu haben«, sagte sie.
»Hast du schon entschieden, wo du studieren wirst?«
»Noch nicht. Zur Auswahl stehen Löwentorstadt, London, Konstantinopel und natürlich Paris.«
»Wirklich?«
»Ja, die Universität hier hat einen sehr guten Ruf.«
»Sieh mal, sie legt wieder ab«, sagte ich, während ich mich gegen das Geländer lehnte und auf die Aurora zeigte.
Ich dachte an Kapitän Walken, an die Mannschaft, mit der ich gelebt hatte, an meine Koje und das kleine Bullauge, durch das ich die vorbeiziehenden Wolken und die Sterne sehen konnte.
»Sie sieht wirklich fabelhaft aus, findest du nicht?«
Kate verdrehte die Augen.
»Du und deine Luftschiffe«, sagte sie. »Ich frage mich ernsthaft, ob in deinem Kopf überhaupt noch Platz für etwas anderes ist.«
»Ich glaube, Paris wäre ein toller Ort zum Studieren«, sagte ich zu ihr.
»Meinst du?«, fragte sie.
»Ja. Die Universität liegt gegenüber der Luftschiff-Akademie, auf der anderen Seite des Flusses. Ich bin schon oft daran vorbeigelaufen.«
Sie lächelte. »Nun, dann werde ich ernsthaft darüber nachdenken.«
In diesem Moment löste sich die Aurora vom Eiffelturm und war wieder frei. Sie hob sich graziös in die Lüfte und drehte sich in den Wind, um eine neue Reise anzutreten.
»Gut so, mein Mädchen«, sagte ich und nahm Kates Hand.
Kenneth Oppel
Silberflügel
Fantasy-Roman
Aus dem Englischen von Klaus Weimann
344 Seiten
Der Beginn eines fantastischen Abenteuers der jungen Fledermaus «Schatten», die die Wahrheit wissen will über die Geheimnisse ihrer Vorfahren und die ewige Feindschaft zwischen Eulen und Silberflügeln.
Sonnenflügel
Fantasy-Roman (Band 2)
Aus dem Englischen von Klaus Weimann
399 Seiten
Schatten ist längst nicht mehr der kleine Schwächling, den alle belächeln. Er war es, der seine Kolonie aus höchster Gefahr gerettet hat; jetzt ist er ein Anführer geworden. Doch zwei Geheimnisse lassen ihm keine Ruhe: Warum legen die Menschen den Fledermäusen Ringe an? Und wo ist sein
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