Airborn 01 - Wolkenpanther
eigentlich mit dieser Grabschändung auf sich?«
»Wie lange ist sie schon weg?«
»Das weiß niemand. Miss Simpkins ist erst vor einer halben Stunde aufgewacht. Sie hat sofort Mr Lisbon alarmiert und er hat daraufhin sämtliche Passagierdecks absuchen lassen.« Baz schüttelte den Kopf. »Dann wurde der Kapitän informiert, und ich sollte herausfinden, ob du wieder mit ihr weg bist.«
»Oh nein.«
»Wenn du da bist, sollst du in die Topkapi-Suite kommen.«
Ich ließ das Zähneputzen ausfallen, band hastig meine Schuhe und eilte zum Oberdeck. Auf dem Weg dorthin fuhr ich mir noch rasch mit den Fingern durchs Haar. Ich konnte mir schon lebhaft vorstellen, wie Miss Simpkins schnaufend und sich Luft zufächelnd in einem Sessel saß. Und als Mr Lisbon die Tür zur Suite öffnete und mich einließ, sah ich Miss Simpkins tatsächlich zusammengesackt in einem Sessel sitzen, wo sie nach Luft schnappte und sich zufächelte.
Der Kapitän war sichtlich erleichtert, mich zu sehen. »Mr Cruse«, sagte er. »Ich bin sehr froh, dass Sie an Bord sind. Mr Hilcock hat Ihnen bestimmt schon von unserem fehlenden Passagier erzählt.«
»Ja, Sir.«
»Wussten Sie von den Plänen der jungen Dame?«
»Nein, Sir.«
»Aber vielleicht haben Sie eine Ahnung, wo sie hingegangen sein könnte.«
Ich holte tief Luft. »Vielleicht, Sir.«
»Dann sollten Sie sich aufmachen und sie suchen.«
»Davon halte ich ganz und gar nichts«, sagte Miss Simpkins prüde. »Ich finde, er hat schon genug Zeit allein mit Miss de Vries verbracht.«
Mein Gesicht brannte, aber ich wagte nicht zu protestieren. Jeder Einwand von mir würde ihren Verdacht nur bestätigen und vielleicht auch den Kapitän misstrauisch machen. Den Blick zu Boden gerichtet, stand ich da, wütend auf Kate, weil sie sich so davongeschlichen hatte.
»Mr Cruse wird nicht alleine gehen«, erwiderte der Kapitän. »Mr Lunardi hat gerade frei, er wird ihn begleiten.«
»Nur diese beiden?«, protestierte Miss Simpkins. »Aber Sie könnten doch sicher …«
»Ich kann keine weiteren Männer entbehren«, sagte der Kapitän. »Im Moment ist die Reparatur des Schiffs mein wichtigstes Anliegen. Ich brauche alle Hände hier. Mr Cruse kennt die Insel besser als sonst jemand, und ich vermute, er weiß genau, wo er nach ihr suchen muss. Er wird sie schneller finden als ein Suchtrupp von dreißig Mann. Bitte bringen Sie dieses leichtsinnige Mädchen zurück an Bord, Mr Cruse. Sobald das Schiff flugtauglich ist, möchte ich aufbrechen.«
»Ja, Sir.«
»Ziehen Sie Ihre Freizeitkleidung an und melden Sie sich umgehend am Landgangsteg.«
Der Kapitän war wütend und ich konnte es ihm nicht verdenken. Diese Sache mit Kate de Vries – und mit mir – war von einem bloßen Ärgernis zu einer Gefahr für das Schiff geworden. Wir waren schon einmal von einem tropischen Sturm überrascht worden. Der Kapitän wusste genau, dass es leichtsinnig wäre, länger als nötig auf der Insel zu bleiben. Er wollte nicht, dass sich unser Start wegen einer eigensinnigen jungen Dame mit einem Talent dafür, in der Wildnis zu verschwinden, verzögerte.
Wieder in meiner Kabine, zog ich mich rasch um und eilte zum Landgangsteg. Als ich zum Strand hinunterkletterte, stellte ich erfreut fest, dass das Schiff schon gut zwei Meter über dem Boden schwebte.
Mittlerweile war es kurz vor neun Uhr. Die Morgendämmerung brach gegen sechs Uhr an, früher würde Kate nicht aufgebrochen sein. Sie hatte also höchstens drei Stunden Vorsprung. Ich wusste, wohin sie wollte: in das Tal, wo der Wolkenpanther verschwunden war. Dort vermutete sie das Nest, und bestimmt war sie dorthin unterwegs, um Fotos zu machen.
Vorausgesetzt natürlich, sie fand den Weg. Zum ersten Mal bekam ich Angst um Kate. Sie hatte einen schrecklich schlechten Orientierungssinn. Sie könnte sich verirrt haben. Dann hätten wir kaum eine Chance, sie zu finden. Ich wollte schon zurück und den Kapitän um mehr Leute für die Suche nach ihr bitten, da erinnerte ich mich an unseren Aufenthalt in der Höhle und wie sie nach der Position bestimmter Orte gefragt hatte. Dennoch, das würde ihr nichts nützen ohne …
Kompass!
Hastig griff ich in meine Tasche. Der Kompass war weg. Meine Gedanken jagten zurück zu den Stunden in der Höhle, als sie ihn in der Hand gehalten hatte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn zurückgenommen und die glatte, kühle Rundung wieder in meine Tasche gesteckt zu haben. Seither war ich ohne Kompass gewesen und hatte es vor
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