Airborn 02 - Wolkenpiraten
verlangsamen, und sah Kate in die Augen. Sie atmete lang und geräuschlos aus, und ihr warmer Atem stieg wie Rauch auf. Mit schreckgeweiteten Augen streckte ich meine Hand aus und legte sie ihr über den Mund. Sie verstand. Beide hielten wir uns nun eine behandschuhte Hand vor die Lippen, damit wir keine verräterischen Signale aussendeten.
Ich versuchte vollkommen unbeweglich zu bleiben, versuchte zu gucken wie ein Wolf. Die Vorstellung, man wäre versteinert, fiel nicht so schwer, denn es war furchtbar kalt. Das Eis leuchtete hell auf und glitzerte, als der Strahl einer Lampe über den Kasten schwenkte. An der gegenüberliegenden Wand wurde unser tierischer Schatten groß und schrumpfte dann zusammen.
Ich konnte nur daran denken, was ich doch für ein Dummkopf gewesen war. Ein Junge, der Pirat spielte. Aber nun war das für mich alles Schrott, der Konfettiregen aus Geldscheinen, den ich mir vorgestellt hatte. Das kam mir nun gierig, maßlos und hässlich vor. Ich war kein Pirat und hätte alles dafür gegeben, wieder dort zu sein, wo es begonnen hatte, auf dem Eiffelturm mit Kate, und dann würde ich sagen: Machen wir nicht. Ich will die Ladung der Hyperion nicht. Wir bleiben hier und lassen die Dinge, wie sie sind. Ich werde noch eifriger für mein Studium büffeln. Ich werde die Zahlen in den Griff kriegen, ein Jungoffizier werden und mich nach oben arbeiten. Das ist völlig genug.
»Der eine hier steht offen«, sagte eine Stimme vor unserem Kasten und ich konnte die massige Gestalt eines Mannes schemenhaft vor der vom Eis überzogenen Scheibe erkennen. Seine Hand hob sich zum Griff.
Meine Beine spannten sich, ich war bereit, ihm knurrend wie ein wildes Tier an die Kehle zu springen.
»Hier ist nichts«, kam eine andere Stimme. »Machen wir, dass wir hier rauskommen. Wir haben noch viel Schiff vor uns, das wir durchsuchen müssen.«
Der Arm blieb einen Augenblick lang bewegungslos, und ich war mir sicher, der Mann würde den Kasten trotzdem öffnen, aber dann wandte er sich ab und sein Schatten löste sich in der allgemeinen Düsternis auf. Ich lauschte ihren leiser werdenden Schritten nach. Die kalte Luft verbrannte mir die Lunge. Mein Gesicht war eine Maske aus Eis. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine der alten Mumien, die ab und zu in Gletschern gefunden wurden, schwarz geworden von all den Jahren, ein schrecklicher Anblick.
Nun verklangen die Schritte ganz und ich konnte auch niemanden mehr sprechen hören. Kate nickte. Wir stießen die Tür auf und stiegen lautlos aus dem Kasten, den Strahl der Lampe auf den Boden gerichtet, damit das Licht nicht herumgeistern konnte.
»Lass uns zurückgehen«, flüsterte Kate. »Das ist zu riskant.«
Ich leuchtete mit der Lampe die Wand ab und entdeckte in der Ecke die Rohrpoststation, nach der wir gesucht hatten. Die kleine grüne Flagge zeigte nach oben.
»Nur einen Augenblick«, sagte ich und ging schnell zu der Eingangsröhre, griff unter die Klappe, aber da war nichts. Enttäuscht schloss ich die Augen. Grunel wollte mir seine Geheimnisse nicht offenbaren.
Plötzlich wurde mein Gesicht von der Seite angeleuchtet. Ganz benommen schaute ich in die Richtung und blendete mich dadurch selbst.
»Lass die Lampe fallen«, sagte eine mir bekannte Stimme. John Rath. »Ich hab eine Pistole! Hände hoch!«
Ich senkte den Kopf, damit die Kapuze etwas Schatten gab, und konnte nun aus dem Augenwinkel Kate beobachten, die für Rath nicht sichtbar hinter einem Schaukasten stand und weiter zurücktrat. Ich ließ meine Lampe fallen und hob die Hände, während er näher trat, seine Lampe weiter auf mich gerichtet.
»Wer zum Teufel bist du denn?«, fragte er. »Kopf hoch!«
In seiner Stimme schwang eine Spur Angst mit, als könnte ich eines der gespenstischen Tiere aus den Schaukästen sein. Ich wollte wegrennen, doch wenn er mich verfolgte und andere dazukämen, würden sie auch Kate entdecken, und wir würden beide gefangen.
Verstohlen schaute ich mich nach ihr um. Sie zog sich schnell immer weiter zurück, drehte sich um und beeilte sich, außer Sicht zu gelangen. Gut. Sie würde zu den anderen laufen.
»Kopf hoch, hab ich gesagt!« Rath war jetzt bei mir, und ich sah kurz seinen rotbraunen Bart aufleuchten, bevor er mir seine Stablampe gegen die Schläfe schlug. Meine Knie gaben nach. Dann wurde mir die Kapuze vom Kopf gerissen.
»Aha«, sagte er. »Ich verstehe. Ich dachte, die Saga wäre erst im Anflug. Dabei hat sie ihren Landetrupp schon abgesetzt. Die war also
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