Airborn 02 - Wolkenpiraten
mit ihrer Küche fertig war. Ich fragte mich, ob alle Schiffsköche so aufbrausend waren wie Chef Vlad.
Während ich den Wasserschlauch aufrollte, kam Slater heran. »Dein Zigeunermädchen kommt zu spät. Ich hab für einen frühen Hochstart ein paar Hände schmieren müssen und möchte den jetzt nicht verpassen. Mein Schlepper kommt gerade.«
Ich sah einen Motorlaster mit einer riesigen Schleppvorrichtung rückwärts an die Nase der Sagarmatha heranfahren. Bei einem Hangar dieser Größe war es notwendig, dass die Schiffe zu jeweils festgelegten Zeiten herein- oder hinausgeführt wurden.
»Wir verpassen unseren Start und am Ende müssen wir dann bis morgen warten«, schnauzte Slater. »Ich kann nicht auf sie warten. Geh nach oben und schau, ob du sie sehen kannst.«
»Das hatte ich gerade vor.«
Ich stieg die zweihundertfünfzig Wendeltreppenstufen zu den Stegen hoch. Im Heliodrom, beleuchtet von großen Wolframlampen an der Decke, war es heller als am Nachmittag in Paris. Ich sah, wie Schiffe durch die gewaltigen Hangartüren in beide Richtungen geschleppt wurden. Als ich endlich oben war, rannte ich zur Mitte des Heliodroms und blickte über den Verkehr unter mir zum östlichen Eingang, wo Nadira von der Rue Zeppelin aus hereinkommen müsste.
Eine riesige Touristengruppe, von einem Führer mit buntem Regenschirm angetrieben, strömte herein, aber keine Nadira war zu sehen.
Ich ging weiter und hoffte, sie bald zu entdecken. Dann fiel mir ein eindrucksvolles Schiff unter mir auf. Es war lang und schmal und machte irgendwie einen militärischen Eindruck, doch ich konnte keine entsprechenden Zeichen an den Seiten entdecken. Die Mannschaft trug beim Klarmachen des Schiffs keine Uniform. Zwei Männer erschienen auf der Landebrücke und blieben in ein Gespräch vertieft stehen. Den einen erkannte ich gleich an seiner Statur, dem rotbraunen Haar und dem Bart: John Rath.
Sofort wandte ich ihnen den Rücken zu und hatte das Gefühl, ein Dutzend Scheinwerfer wären auf mich gerichtet. Wenn sie nun zu mir heraufsahen? Ich holte tief Luft, schaute zur Decke hoch, und da wurde mir klar, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Vor dem starken Schein der Lampen war ich für die unten nur eine Silhouette.
Ich blickte wieder hinab. Rath sprach immer noch mit dem anderen Herrn. Der war dünn, wirkte gebrechlich, und ich hatte den Eindruck, dass er schon älter war. In seinem Kamelhaarmantel verkörperte er geradezu den feinen, ehrbaren Herrn, und ich fragte mich, was um alles in der Welt er mit so einem wie John Rath zu tun hatte.
Besorgt blickte ich wieder zum östlichen Eingang und sah Nadira hereinkommen. Sie trug ihren Ledermantel und hatte einen großen Seesack über der Schulter. Sie wollte zu den Fußgängerstegen hochsteigen, blieb aber stehen, als sie sah, dass die von gaffenden Touristen überschwemmt waren.
Alles zog sich in mir zusammen, als sie da unten durch das Heliodrom ging – in einer Richtung, die sie in wenigen Augenblicken an John Rath vorbeiführen musste. Ich traute mich nicht, laut zu rufen, um nicht seine Aufmerksamkeit zu wecken. So stand ich wie festgefroren da und beobachtete, wie Nadira über Raths Liegeplatz lief. Mir stockte der Atem. Keine zehn Fuß ging sie an den Männern am Fuß der Landebrücke vorbei. Sie bemerkte Rath nicht, er bemerkte sie nicht. Stoßweise ließ ich die Luft heraus und konnte unser Glück kaum fassen.
Doch plötzlich blitzte reflektiertes Licht auf, als sich ein Fenster in der Führergondel des Schiffs öffnete. Einer von Raths Männern schrie etwas und zeigte in Nadiras Richtung. Rath und der ältere Herr wirbelten herum.
Nadira rannte los. Sie raste über Liegeplätze und Rampen und durch Wartungsbereiche, bahnte sich blitzschnell ihren Weg, so dass Menschen und Fahrzeuge schnellstens auswichen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. In ihrem Kielwasser folgten Rath und zwei seiner Männer mit Pistolen in den Händen. Ihre Schreie hallten, von den Geräuschen der riesigen Halle gedämpft, zu mir herauf.
»Zigeunerin! Diebin! Haltet sie! Halt!«, hörte ich Rath schreien.
Kurz verlor ich Nadira aus den Augen, dann sah ich sie wieder, wie sie über ein Schlepptau sprang. Sie hatte einen Vorsprung, doch die Piraten waren nicht weit hinter ihr. Auch ich rannte zur Sagarmatha zurück und kam besser voran als Nadira, denn ich hatte keine Hindernisse vor mir. Als ich über unserem Liegeplatz ankam, brüllte ich zu Slater hinunter: »Wir müssen los! Jetzt
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