Airborn 02 - Wolkenpiraten
alles andere als klar. Direkt vor uns wurde ein norwegischer Tanker an seinen Liegeplatz manövriert und dahinter ein niederländisches Postschiff durch das Heliodrom geschleppt.
»Ziemlicher Betrieb heute«, murmelte Slater.
Links unten sah ich John Rath und seine Männer mit erhobenen Fäusten und dem aufblitzenden Mündungsfeuer ihrer Pistolen. Eine Kugel kreischte am Fenster auf, zerkratzte, aber zerschmetterte es erstaunlicherweise nicht. Slater musste die Fenster irgendwie verstärkt haben.
»Wenn sie so weitermachen, verletzen sie noch jemand«, sagte Slater. »Cruse, schießt du bitte zurück?«
Er griff sich eine Pistole von der Wand und warf sie mir zu. Als ich die gut geölte Waffe in meiner Hand hielt, drehte sich mir der Magen um.
»Ich glaub nicht …«
»Schon gut. Ist nur Zeitverschwendung. Wir sind gleich weg. Volle Kraft voraus!«
Wie eine Wildkatze sprang die Sagarmatha vorwärts, rasend schnell auf Kollisionskurs mit dem Tanker. Mir stockte der Atem.
»Jangbu, bring uns bitte ein paar Fuß höher.«
Am Höhensteuer tippte Jangbu das Rad nur an, und die Sagarmatha sprang, nur ganz knapp, über den norwegischen Tanker hinweg. Dessen Signalhörner dröhnten laut und im ganzen Heliodrom wurde Alarm ausgelöst. Für dieses Kunststück würden wir alle ins Gefängnis kommen, aber das spielte nun keine Rolle mehr, da wir in wenigen Augenblicken doch sterben würden, denn wir rasten geradewegs auf das niederländische Postschiff zu, das soeben hoch oben vertäut wurde. Bei unserer Geschwindigkeit gab es keine Möglichkeit, über sie zu steigen.
»Ach du meine Güte«, sagte Slater. »Drunter durch, denke ich.«
Seine Mannschaft reagierte sofort. Das Schiff tauchte nach unten weg und streifte fast den Boden des Heliodroms, während die Leute auseinander stoben. Unter der Führergondel konnten kaum noch mehr als fünfzehn Fuß Luft sein, und ich starrte nur nach vorn, zu geschockt, um die Augen zu schließen, während sich die Distanz zum Postschiff unglaublich schnell verringerte. Dann plötzlich waren wir unter ihm, und ich hatte keine Ahnung, wie wir es geschafft hatten, es nicht zu rammen.
»Laster!«, schrie ich und zeigte auf den Tankwagen mit Arubatreibstoff direkt vor uns. Dorje am Ruder drehte ein bisschen am Rad, und die Sagarmatha schwenkte nach steuerbord ab wie ein Hai, der Blut geschmeckt hat, und ließ den Treibstofflaster unversehrt backbords hinter sich.
»Die Hangartüren!«, stieß ich mit überkippender Stimme aus.
»Reiß dich zusammen, Cruse«, sagte Slater. »Kein Grund zur Aufregung.«
Doch es gab Grund, denn ein riesiges Passagierschiff wurde gerade hereingeschleppt. Innerhalb kürzester Zeit würde es uns den Ausgang blockieren, unverrückbar wie die Chinesische Mauer.
Hal Slater blickte mich an. »Volles Rohr, Cruse?«
»Volle Kraft voraus!«, schrie ich und erkannte mich kaum wieder.
»Meine Worte«, sagte er und drückte den Gashebel ganz durch.
Wir sausten auf das Hangartor zu, während sich die Nase des Passagierschiffs in die Öffnung schob. Um uns gellten die Alarmanlagen. Slater lächelte und summte ein Luftschifferlied. Die Sagarmatha schwenkte leicht nach steuerbord, ich verkrampfte mich und wartete auf das Kreischen von Metall gegen Metall, auf das schreckliche knackende Knistern, wenn der Rumpf des Schiffs in sich zusammenbrach, doch plötzlich waren wir durch und im Freien, jagten dicht über den Flughafen, umflogen die Einflugschneise für die ankommenden Luftschiffe und fanden dann mit einem weiteren aufregenden Geschwindigkeitsschub eine freie Bahn am Himmel, wo wir aufsteigen und Paris hinter uns lassen konnten.
7. Kapitel
An Bord der Sagarmatha
In der Aurora war es, als segelte man auf einer Wolke. In der Sagarmatha dagegen war es, als ritte man einen Sturm. Nicht dass sie unruhig geflogen wäre, doch man konnte ihre Geschwindigkeit spüren, die plötzliche Schubkraft ihrer Motoren und jede Änderung an Richtung und Höhe. Am liebsten hätte ich vor Begeisterung geschrien.
»Sie gefällt dir, Cruse, gib es zu«, meinte Slater.
»Sie ist sehr schnell«, antwortete ich, ohne mich um sein selbstzufriedenes Grinsen zu kümmern. Klar, er war ein ausgezeichneter Kapitän und hatte ein großartiges Schiff, aber insgesamt war er zu selbstgefällig. Ich fragte mich, ob das Selbstbewusstsein eines Menschen mit seiner Position in der Welt zusammenhing.
»Rath hatte ein Schiff im Flughafen«, sagte ich. »Es sah schnell aus. Es könnte sein, dass sie
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