Airborn 02 - Wolkenpiraten
gleichmäßig in der Mitte des Schiffs verteilt ist. Auf beiden Seiten des Kielstegs waren starke Wände errichtet, viel höher als bei Frachtdecks üblich. Diese hier ragten zwei Stockwerke hoch, und sie waren nicht aus Holz, sondern aus mit Nieten besetztem Metall. Sie wirkten so unzerstörbar wie die Panzerung eines Schlachtschiffs.
Hal blieb stehen. Backbords neben dem Steg befand sich eine einzelne Tür, glitzernd vor malvenfarbenem Raureif. Eine Beschriftung gab es nicht. In der Mitte der Tür war eine Metallplatte mit einem Griff angebracht und darunter befand sich ein kompliziertes, rundes Schlüsselloch.
»Na also«, sagte Hal. »Die Schatzkammer.«
13. Kapitel
Der tote Zoo
Nadira zog ihre Kapuze ab und holte den Schlüssel aus dem Etui, das sie an einer Schnur um den Hals trug. Die Tür war massig und verstärkt wie zum Tresorraum einer Bank, und es leuchtete mir durchaus ein, dass hier eine Sprengfalle lauern konnte. Ich stellte mir Reißleinen vor, die in das Metall eingebettet waren. Langsam schob Nadira den Schlüssel ins Schlüsselloch, runzelte die Stirn, zog ihn wieder heraus, beugte sich vor und spähte in das Loch.
»Da ist Eis«, sagte sie. »Er geht nicht rein.«
Dorje zog ein kleines Stabfeuerzeug aus dem Rucksack. An der Spitze schoss eine blaue Flamme hervor, die er langsam vor dem Schlüsselloch hin und her schwenkte, sorgsam darauf bedacht, der Tür nicht zu nahe zu kommen. Ein dünnes Rinnsal Wasser rieselte aus dem Schlüsselloch und gefror schon wieder auf halbem Weg zum Boden.
Erneut steckte Nadira den Schlüssel in das Schlüsselloch. Zunächst schien sie nicht weit zu kommen, aber dann drehte sie ihn ein bisschen, und ich hörte kleine Metallteile klirren und fallen. Der Schlüssel ließ sich etwas weiter hineinschieben. Ich merkte, wie ich den Atem anhielt. Das Schloss war wie ein Puzzle, bei dem die einzelnen Teile in einer bestimmten Reihenfolge aneinander gefügt werden mussten. Sie drehte und wendete den Schlüssel, schob ihn Stückchen für Stückchen tiefer hinein, und wenn es so schien, als wollte es nicht mehr weitergehen, drehte sie ihn einmal im Uhrzeigersinn ganz herum. Das Klingen und Zwitschern des Schlosses, das durch die eigentümliche, rätselhafte Form des Schlüssels hervorgerufen wurde, klang fast wie Musik. Dann machte der Schlüssel eine volle Drehung, und Nadira schrie auf, als das Schloss ihr den Schlüssel blitzschnell aus den Fingern zog und ihn ganz im Schlüsselloch verschwinden ließ.
Niemand sagte etwas.
»War das nun gut oder schlecht?«, fragte ich schließlich.
»Vielleicht mochte das Schloss den Schlüssel nicht«, überlegte Kate.
»Das ist kein sehr beruhigender Gedanke«, sagte ich.
Wir hörten ein Ticken. Es kam eindeutig aus dem Schloss.
»Lauft!«, schrie Hal.
Doch ein lautes Klacken aus dem Inneren der Tür ließ uns vor Schreck erstarren. Der Schlüssel wurde ausgespuckt und landete auf dem vereisten Boden. Dann öffnete sich die Tür mit einem Zischen, ruckte zurück und glitt innen an der Wand zur Seite.
»Das ist die unverschämteste Tür, die mir je begegnet ist«, sagte Kate.
Nadira bückte sich und hob ihren Schlüssel auf. »Seid ihr jetzt froh, dass ich mitgekommen bin?«
Ein strenger Modergeruch drang aus dem pechschwarzen Rechteck vor uns. Ich sah, wie Dorjes Nasenflügel zuckten. Vierzig Jahre lang war diese Tür nicht geöffnet worden. Was sich auch immer dort drin befinden mochte, war unberührt. Wir waren die Ersten und wir gingen hinein.
So weit der Schein unserer Lampen reichte, erstrecken sich Reihen riesiger, zehn Fuß hoher Schaukästen in den Raum. Das Glas war größtenteils von Eis überzogen, nur gelegentlich konnte ich kurz etwas Pelz oder einen Knochen erkennen. Von beiden Seiten stierten alle möglichen Sorten von Tieren mit Hörnern und Geweihen auf uns herab. In der Mitte des Raums ragten Kopf und Hals einer Giraffe über die Schaukästen und von der Decke hing das gewaltige Skelett eines Meeresungeheuers. Mit den schmalen Gängen zwischen den Reihen von Schaukästen war der Raum wie in einem Museum ausgestattet. Der alte Noah hätte nicht mehr Vögel und Tiere in seine Arche stopfen können.
»Das hier ist also Grunels Sammlung!«, hauchte Kate, und dann ging sie los, eilte von einem Kasten zum anderen, kratzte am Glas und leuchtete mit der Lampe hinein.
»Warum hat der sich bloß die Mühe gemacht und all das räudige Zeug hinter Schloss und Riegel gebracht?«, grummelte Hal vor sich hin. Er
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