Airborn 02 - Wolkenpiraten
wartete.
14. Kapitel
Das Vivarium
Diesmal begrüßte uns keine völlige Finsternis, sondern blasses Licht, das uns einen Raum sehen ließ, der sogar noch größer war als der erste. Überall kauerten lauernd dunkle Schatten, wie bereit, sich zu erheben oder aufzuspringen. Unruhig zuckte der Schein unserer Lampen umher. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine Reihe völlig vereister Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten.
In einer Ecke stand eine düstere, mächtige Maschine, wie eine riesige Hexe, die vorgebeugt aus dem Fenster spähte. Ein Teleskop, nahm ich an. Ich hatte einmal das gewaltige Lowell-Teleskop gesehen und auch kurz durch seine starken Linsen auf die Marskanäle blicken dürfen. Ob Grunel wohl auch so eine Art Astronom gewesen war?
Vorsichtig gingen wir in den Raum hinein und wichen den Seilen, Flaschenzügen und Ketten aus, die von Schienen an der Decke hingen. Offensichtlich hatte Grunel sie benutzt, um schwere Gegenstände durch den Raum zu bewegen.
Und da waren viele schwere Gegenstände. Mehr Werkzeug gab es auch in der Luftschiffwerft von Löwentorstadt nicht. Ich sah Bohr- und Schleifmaschinen, Drehbänke und Nietmaschinen, Schweißgeräte und Metallsägen, die mit Rost- und Eisflecken übersät waren. Regale und Schubfächer überall an den Wänden, voll gepackt mit Geräten, Gläsern mit gefrorenen Chemikalien, Pudern und Pasten, daneben viele andere Dinge, die mir rätselhaft erschienen. In allen Ecken standen Werkbänke, zum Teil noch voller Werkzeug.
»Das ist seine Werkstatt«, sagte ich.
Wieder durchfuhr es mich: Die Hyperion war kein einfacher Frachter, mit dem Grunel seine persönlichen Dinge zu seinem neuen Wohnsitz transportieren wollte. Diese Werkstatt war in vollem Betrieb gewesen. Ich sah, wie sich Hals Gesicht allmählich verfinsterte, während er den Raum mit seiner Lampe ableuchtete und nichts als Maschinen und Werkzeug, beschriftete Kästen mit Kupferrohren, Gummischläuchen und Metallplatten entdeckte.
Vorsichtig suchten wir uns einen Weg durch all die hängenden Ketten und Seile, um die Maschinen und Werkbänke.
Vor einer Art hochlehnigem Stuhl mit einem Paar mechanischer Arme blieb ich stehen.
»Was ist das?«, fragte Nadira.
»Das muss eine seiner Erfindungen sein«, meinte Kate.
Zum Glück war Grunel offensichtlich besessen davon, alles zu beschriften, denn auf dem Sitz war eine kleine Messingplatte befestigt. Ich richtete meine Lampe darauf und las vor: »Automatischer An- und Auskleider.«
»Auch für Korsetts?«, fragte Hal Kate, was ich ganz schön frech fand.
»Der kann auch nicht gröber sein als Miss Simpkins.«
Wir gingen weiter, öffneten alle Kisten, an denen wir vorbeikamen, doch keine enthielt knisternde Banknoten oder Goldmünzen, nur Werkzeuge und Grundmaterial für Grunels Erfindungen. In manchen Kisten fanden wir seine Kreationen in Holzwolle verpackt und Grunels Beschriftungen dazu waren ebenso seltsam wie seine Erfindungen: Ein dampf- und aromatisch betriebenes Gerät zum Löschen von großen und kleinen Bränden. Oder: Ein revolutionäres wasserdichtes Schloss für Tiefseetauchkugeln, Unterwasserfahrzeuge aller Art und automatisierte Waschmaschinen. Und noch eine weitere: Eine Passformwindel für Hausvögel, besonders geeignet für Tukane, Papageien und Aras.
Hal blieb vor einer großen Kiste stehen, die einem Sarg unangenehm ähnlich war, denn für eine normale Aufbewahrungskiste war sie viel zu aufwändig verziert.
»Was soll denn ein Sarg in einer Werkstatt?«, fragte Nadira.
»Du glaubst doch nicht, dass er sich selbst darin bestattet hat, oder?«, sagte ich.
»Sehen wir doch einfach nach«, meinte Hal. »Vielleicht kann die Kiste uns sagen, wo der Alte seinen Zaster versteckt hat.«
Ich wollte nicht, dass er den Sarg aufmachte, meine Tagesration an Leichen hatte ich heute schon hinter mir.
»Kein Schloss.« Hal hob den Deckel, der auf einer Seite mit Scharnieren befestigt war. Er fluchte, als er sah, dass die Kiste leer war. Ich war erleichtert.
»Der muss für eine sehr große Person gezimmert worden sein«, bemerkte Kate.
»Oder er war zweischläfrig gedacht«, ergänzte ich.
Einen noch geräumigeren Sarg konnte man wirklich nicht verlangen. Er war mit roter Seide gefüttert und sah einladend weich gepolstert aus.
»Was ist das denn alles?«, fragte ich, denn an der Unterseite des Deckels befanden sich dicht über dem Kopfende alle möglichen mechanischen Apparate.
» Apparatus zum Signalisieren aus dem
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