Airport-Klinik
…«
»Wer braucht das denn zu wissen? Und warum?«
»Mein Krankenbericht …«
»Sie können auch hineinschreiben: Kopfplatzwunde infolge eines Sturzes. Das stimmt sogar. Da müssen Sie noch nicht einmal lügen.«
»Bei der Polizei stehen Sie bereits in den Akten.«
»Sie haben ihnen meine Adresse gegeben?«
»Nein. Die weiß ich ja selbst nicht. Nur Ihren Namen.«
»Damit können sie wenig anfangen, Doktor. Lassen Sie mich gehen. Bitte …«
»Sie verlangen Ungesetzliches von mir.«
»Nein … nur Menschliches.«
»Mit Ihnen zu diskutieren, Herta, ist Schwerstarbeit. Ich werde mit dem Kollegen Dr. Gräfe sprechen und nehme an, er läßt Sie mit einem Krankenwagen nach Hause bringen.«
»Danke, Doktor!« Sie streckte beide Arme nach ihm aus. »Sie sind wunderbar.«
Er nahm ihre Hände, küßte sie und verließ schnell das Zimmer.
Es muß auch Verrückte wie mich geben, dachte er, denen das Gefühl manchmal wichtiger ist als der Verstand – auch wenn das hier selten angebracht ist. Ein Glück, daß wir in der Klinik ein verschworener Haufen sind … genau genommen, habe ich mich jetzt nicht ganz korrekt verhalten.
Eine halbe Stunde später brachte ein Krankenwagen Herta Frieske zu einem Reihenhaus in der Nähe von Bad Schwalbach.
Als sie auf die Klingel drückte, hörte sie von innen die Stimmen ihrer Kinder.
Da drückte sie die verpflasterte Stirn an den Türrahmen und begann zu weinen. Doch es war ein ganz anderes Weinen als bei dem versuchten Todessturz in die Tiefe …
Schwester Britte Happel war nervös.
Dr. Gräfe bemerkte es schon seit geraumer Zeit … er beschäftigte sich gerade mit einem Fluggast, der plötzlich eine Nierenkolik bekommen hatte und vor Schmerzen jammerte und immer wieder rief: »Jetzt komme ich nicht nach Mailand, Doktor! Ich muß morgen in Mailand sein, sonst platzt ein großes Geschäft. Ich bin Stoffhändler, und wenn mir die Konkurrenz die Kollektion wegkauft, stehe ich nackt da. Ich muß nach Mailand, Doktor!«
»Das Flugzeug ist eh weg!« sagte Dr. Gräfe. Er hatte dem Koliker eine starke Schmerzinjektion gegeben, die in zehn Minuten wirken mußte. Aber das war nur eine Ruhigstellung. Der Kranke mußte in einem Krankenhaus weiterbehandelt werden.
»Dann nehme ich die nächste Maschine, Doktor! Es gibt nach Mailand noch einen Spätflug.«
»Da sehe ich sehr schwarz.«
»Wieso? Ich habe doch die Spritze und in einer halben Stunde bin ich wieder fit! Begreifen Sie nicht: Ich muß nach Mailand. Wenn ich nicht morgen früh bei der Musterung dabei bin, bekomme ich von den Stoffen nur noch den Schrott. Das kann mich ruinieren.«
»Die besten Stoffe nützen Ihnen nichts, wenn Sie in der engen Kiste liegen!« antwortete Dr. Gräfe ziemlich grob. Er warf erneut einen Blick hinüber zu Britte; schon wieder schielte sie unruhig auf die Uhr. Und schnitt eine große Lage Mull zurecht, die für einen auf einer Liege ausgestreckten jungen Mann bestimmt war. Die Flughafenpolizei hatte ihn volltrunken eingeliefert; irgendwo hatte er sich den Unterarm aufgerissen. Ein zugeschwollenes linkes Auge deutete darauf hin, daß er auch in eine Schlägerei verwickelt worden war.
»Das ist nicht meine erste Nierenkolik!« sagte der Stoffhändler.
»Eben!« nickte Dr. Gräfe. »Und deshalb werden Sie gleich ins Krankenhaus gebracht. Ich rufe das St. Elisabeth-Krankenhaus an; dort sind heute noch Betten frei.«
»Ausgeschlossen!« Der Patient zuckte hoch, wollte aufspringen, aber das gelang ihm noch nicht. Die Injektion wirkte bereits, die Schmerzen ließen merklich nach. »Nur in Vollnarkose kriegen Sie mich ins Krankenhaus.«
»Die können Sie auch haben. Wenn ich Sie entlasse, müssen Sie einen Revers unterschreiben, daß es auf eigene Gefahr und eigenes Risiko erfolgt.«
»Ich unterschreibe Ihnen alles, wenn ich nur nach Mailand komme!«
»Wie Sie wollen …«
Dr. Gräfe ließ ihn allein und ging hinüber zu Schwester Britte Happel. Wie ihr nordischer Vorname es suggerierte, so sah sie auch aus: Groß, schlank, hellblond, sportliche Figur. Ein Mädchen, das aus der Frische des Meeres oder aus einem goldenen, wogenden Kornfeld zu kommen schien. Daß Dr. Gräfe und sie sich liebten, war bisher geheim geblieben. Bei der Arbeit in der Klinik verhielten sie sich absolut korrekt und unpersönlich – von ein paar Scherzen abgesehen, wie sie jeder einmal macht.
»Was hast du eigentlich?« fragte Dr. Gräfe leise und stellte sich neben Britta.
»Nichts.«
»Du bist heute so
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