Airport-Klinik
Stewardessen war es so ein durchaus angenehmer Flug geworden: Nur die Hälfte der Gurte waren zu kontrollieren, die Hälfte der Zeitungen, Kopfwehtabletten und Essensportionen auszugeben. Es gab die üblichen Reklamationen, die üblichen dummen Fragen und die üblichen Komplimente, wobei die Visitenkarte eines Herrn Alyan Singh, Präsident der ›Singh Constructions‹, doch ein wenig hervorstach: »Sind Sie wundersam schönes Frau mit Prachthaar. Werd ich sehr einsam sein in Frankfurt. Sie nicht wissen Rat?«
Evi hatte den Kopf geschüttelt, und da eine Stewardeß in jeder Situation Höflichkeit zu bewahren hat, hatte sie dem ›Präsidenten‹ die Karte mit einem: »Sorry, nein« zurückgereicht.
Aber nun war's vorbei. Nun hatte sie den Koffer, warf ihn auf den Karren und schob ihn der Zollschleuse entgegen. Und wie sie so ging, hochgewachsen, ihre rotgoldene Mähne in einem mit einem grünen Band durchflochtenen Pferdeschwanz gebändigt, müde und doch diesen unnahbaren, ihr selbst längst nicht mehr bewußten Evi-Hochmut auf dem schönen, klargeschnittenen Gesicht – folgten ihr noch immer die sehnsüchtigen Blicke der männlichen Passagiere. Mein Gott, dabei hatten sie doch nun wirklich genug Zeit gehabt, sie anzustieren! Und jetzt? Das gab's doch nicht? Das durfte doch gar nicht wahr sein …
Wie immer, und diesmal voll guten Gewissens, hatte Evi in der Zollschleuse den grünen Kanal für ›nicht Zollpflichtige‹ angesteuert. Doch dem Zoll-Typ, der die Abfertigung kontrollierte, schien dies nicht zu gefallen. Er winkte sie heran. »Nein«, stöhnte Evi. »Muß das denn sein?«
»Manchmal schon. Das wissen Sie doch, oder?«
Zur Erhaltung des Prestiges, aber auch um die fliegende Besatzung nach einem langen Flug nicht noch peinlichen Situationen auszusetzen, gab es gleich neben der Zoll-Schleuse einen Raum, der für die meisten Crew-Mitglieder in übler Erinnerung war und deshalb von ihnen ›der Keller‹ genannt wurde. Dort, unter kaltem Neonlicht, setzte Evi Koffer und die Reisetasche auf den Tisch und sah ohnmächtig und zitternd vor Zorn zu, wie sich dieser schmallippige Horror-Zöllner durch ihre Wäsche tastete.
»Aber ich sage Ihnen doch: Da ist nichts drin, was Sie interessieren könnte, also wirklich nicht.«
»Nein? Und was haben Sie denn da in der Tasche?«
»Einen Elefanten.«
Er hielt den Kopf schräg; er war jung, hatte graue Fischaugen und Pickel auf der Stirn. »Sie machen wohl gerne Witze, was?«
Sie sind selber einer – hätte sie gern zurückgeschossen, aber sie schenkte es sich. Sie wollte nicht noch weitere Scherereien.
Der Reißverschluß war offen, die Hand des Zöllners tauchte hinein, und seine Stirn bekam Falten, als er den schwarzen, ebenholzschimmernden, mit Perlmutt-Intarsien verzierten Elefanten herauszog. Evi hatte ihn acht Stunden zuvor nach langem Feilschen bei einem Antiquitäten-Händler in Karatschi erstanden.
»Und was ist mit dem? Wollen Sie den verkaufen?«
»Mein Gott!« fauchte Evi. »Das ist ein Geschenk. Und falls es Sie interessieren sollte: Ich bringe es einem Mann, der Elefanten liebt, sich aber deshalb nicht gleich benimmt wie ein Elefant.«
Er wurde nun doch rot, nahm aber seine Niederlage stumm hin.
Er öffnete ihr sogar die Tür: »Alles klar. Na denn, bis zum nächsten Mal …«
Brannten die Kerzen, liebte Hansen seine Wohnung. Und so ließ er sie auch dann brennen, wenn er einen Abend allein verbrachte. Tagsüber befand er sich selten genug hier in dem Appartement in der Waldhaus-Straße. Abends jedoch hörte er sich über Lautsprecher gern die ›Vier Jahreszeiten‹ von Vivaldi an. Dann brach sich das Licht in Kristallgläsern und in all den Bildern, welche die Wände des hohen, mit einer Galerie versehenen Raumes schmückten.
Heute, zum Empfang von Evi, hatte er den Eßtisch hübsch arrangiert. Zwei Rosen steckten in einer Kelchvase. Behaglich wie in einer Höhle war es, denn auf das Arrangement einer auch ästhetisch zur Liebe passenden Atmosphäre verstand sich Fritz Hansen. Und so hatte er schon während seiner Studienzeit in Göttingen seinen Spitznamen weg: ›Der schöne Fritz‹.
Als wolle er dies auch jetzt unterstreichen, trug er bereits seinen seidenen Hausmantel. Nicht nur er selbst, nein, auch jedes Ding hier im Raum schien auf das rothaarige Phänomen Evi zu warten – und da läutete es auch schon.
Gutes Timing, dachte Hansen, gehört schließlich zur Stewardessen-Ausbildung, und die Kerzen sind auch noch ganz frisch.
Er
Weitere Kostenlose Bücher