Akanis: Die Wiedergeburt des dunklen Herrschers (German Edition)
machen. Vorsichtig stiegen sie den Hang hinunter und blickten dabei auf den Abgrund, in die Tiefe, wo der Boden und die Baumkronen nur wie ein fahler graugrüner Schleier wirkten. Obwohl sie versuchten, immer den längeren Weg am Hang zugehen, kamen ab und an Stellen, die sich nur durch vorsichtiges und gerades Hinuntersteigen oder durch Rutschen, bezwingen ließen. Dann kamen wieder ebene Stellen, die selbst ohne Umwege direkt nach unten verliefen und kaum Gefälle aufwiesen. Elona achtete immer noch auf Liam, der sich oft mit einer Hand die Rippen hielt, während er schwankend und auf beiden Beinen Hänge hinabrutschte. Sie sah so oft zu ihm hinüber, dass ihr dies einmal fast zum Verhängnis wurde, als sie nicht nach vorne geblickt und darauf geachtet hatte, wohin sie stieg.
Es vergingen Stunden und es kam ihnen vor wie Tage, ehe sie durch das lichtbewaldete Tal wanderten und die ersten Ausläufer des zweiten Gebirgszugs erreicht hatten. Vom Tal aus konnten sie den Gipfel des nächsten Berges kaum noch sehen, er verschwand mit einem fahlen Hals und gipfelte dabei in die Wolken hinein. Es war Nachmittag und die Sonne bereitete sich auf ihren Untergang vor, während sie zur Rechten neben dem Hals des Berges sank. Die Gruppe legte nun eine weitere Rast ein und Elona suchte, wie ein paare andere Reisende auch, nach Fröstelbeeren, die es in Tälern der Gebirgsketten des Elmuals reichlich gab. Sie besaßen eine dunkle, veilchenviolette Farbe, die jedoch fast schon Blau wirkte, und sie schmeckten süß mit einem sauren Abgang. Nach ein paar Minuten fand Elona die ersten Sträucher, an denen Fröstelbeeren hingen, sie glänzten mit ihrem Reif wie Perlen. Sie pflückte die Beeren und tat sie in ihre Beuteltasche, die innerhalb ihres Mantels in der Höhe der Brust eingenäht worden war. Als die Tasche voll war, riss sie ein großes Geäst vom Strauch, auf dem noch Dutzende Beeren hingen, dann kehrte sie wieder zur Gruppe zurück. Nachdem sie wieder bei Liam war, setzte sie sich zu ihm auf den Boden, er selbst saß an einen Baum gelehnt.
„ Ich habe die besagten Beeren gefunden, die du beschrieben hattest“, sprach Elona leise zu Liam und lächelte dabei, so gut es bei der Kälte nur möglich war, denn ihre Lippen waren bereits sehr blau und taub, ihre Stimme zittrig. Beide hatten sie ihre Kapuzen noch im Gesicht hängend, während es leicht schneite und der Wind schwach blies.
„ Ich danke dir. Ich bin dir ewig zu Dank verpflichtet, so wie du dich um mich kümmerst. Es wäre für mich noch mehr eine Qual, müsste ich auch Beeren selbst pflücken. Meine Beine kann ich bewegen, doch das Pflücken mit den Armen würde mich sehr schmerzen“, gab Liam leise und mit heiserer Stimme zurück.
„ Du bist verletzt. Außerdem würdest du dasselbe für mich tun, oder etwa nicht?“
„ Doch, das würde ich.“
„ Ich könnte dich nie im Stich lassen. Das gehört sich nicht.“
„ Du bist treuen Herzens und äußerst liebevoll“, sagte Liam und sah ihr dabei tief in die Augen, was ihr unangenehm war, wie man an den nervösen Blicken erkennen konnte.
„ Und besitzt anmutige Stärke, habt ihr vergessen“, fügte sie hinzu und blickte dabei gespielt erhaben, während sie einen Dolch hervor zog und ein kleines Geäst vom Strauch hinunter schnitt.
„ Die Stärke eines jungen Knappen“, scherzte er, doch nachdem er den Satz mit einem Husten beendete, vermochte Elona ihm nicht böse zu sein, sondern sie lächelte schwach, während Liam weiter hustete. Sie aßen ihre Beeren vollständig auf, die Rast dauert noch gut eine halbe Stunde, ehe sie endete, denn mit jedem Blick nach oben zu den Ketten und Formationen hatten sie weniger Lust, das Gebirge zu erklimmen.
Der Rücken des Gebirges wuchs ins Unermessliche, als sie nach oben blickten und die ersten Formationen des Berges direkt vor sich sahen. Es war nicht sehr ermutigend, nicht einmal den Hals des Berges zu sehen, sondern stattdessen nur eine fahle Mitte, die im Nichts verschwand. Nebel umkreiste den Fuß des Berges. Sie versuchten, den Grat in Schleifen hochzuwandern, um die steilen Hänge herum, doch war der Weg dadurch äußerst langwierig und ein rasches Weiterkommen schien nicht in Sicht. Die Sonne war für die Wandernden nun nicht mehr zu sehen, da sie nun hinter dem Gipfel lag und allmählich unterging. Ohnehin hätten sie den Schein der Sonne kaum gespürt, da der bewölkte graue Himmel kaum einen Strahl hindurchgelassen hätte und die Nebeldecken über und
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