Akasha 03 - Das Exil der Messianer
Niemand wußte genau über die mentalistischen Fähigkeiten der Ciristen Bescheid. Selbstverständlich war es ein Risiko, daß er die Begegnung mit ihr persönlich suchte; aber es stand für ihn fest, daß sie es, wäre er als Projektion aufgetreten, gemerkt hätte. Daß er in der Eile keine Gelegenheit gehabt hatte, sich mit Egochips auszustatten, um seine individuellen psychischen Emanationen zu tarnen, erhöhte das Risiko; doch er vermutete, daß der Ciri-Entzug Djamenah Sharas Talente stark verminderte. Außerdem kam sie ihm in ihrer Einfachheit, ihrem Schlichtmut, der Scheu und Ängstlichkeit, die sie an den Tag legte, wie ein Kind vor; sie wirkte bloß putzig. Ihre Abgehärmtheit, die Symptome ihrer Erkrankung, die vielfältigen Anzeichen beschleunigten Alterns, des seelischen Verfalls, welche man ihr ansehen konnte, ihr schäbiges Äußeres, hätten vielleicht echte Gefühle der Hilfsbereitschaft bei ihm ausgelöst, wäre sie nicht ein Hindernis für seine Bestrebungen gewesen – und gleichzeitig ein Faktor zu ihrer Realisierung.
Fran Brigge erklomm die obersten Stufen der Treppe, knirschte vernehmlich mit den Zähnen. »DeTschenri, Sie ...«
Die Finger der Ciristin gruben sich fester in DeTschenris Oberarm. »Sie können tatsächlich etwas für mich tun«, sagte sie.
Ich darf sie nicht unterschätzen, sann DeTschenri, schränkte seine Empfindungen energisch ein. Sie war eine Immortale. Sie ist Jahrhunderte alt. Allen Berichten zufolge ist sie unerhört zäh und halsstarrig.
»Gewähren Sie mir Schutz. Ich brauche eine Leibwache.«
DeTschenri enthielt sich eines Schmunzelns der Genugtuung.
Dieser Wunsch begünstigte seine Absichten weit mehr, als er es von der Kontaktaufnahme zu erwarten sich getraut hatte. Und er wußte einen geeigneten Beschützer. »Nichts leichter als das, Djamenah.« Er richtete den Blick auf fran Brigge, als fälle er ein Todesurteil. »Fran Brigge wird sie von jetzt an als Leibwächter begleiten.«
»Was?« brauste der Ichthyander auf. »Wie bitte?«
»Er?!« Djamenah ließ von DeTschenris Arm ab, trat um einen Schritt zurück, schaute ihn wie einen Verrückten an. »Wissen Sie nicht, was er mit mir ...«
»Ich weiß es«, unterbrach DeTschenri sie mit sorgsam betonten Anklängen von Wohlwollen und Väterlichkeit in der Stimme. »Eben deshalb halte ich es für angebracht, ihn mit der aktiven Wiedergutmachung seiner Vergehen zu beauftragen.« Mit geheimem Vergnügen sah er fran Brigges Kiemenschlitze rot anschwellen. »Glauben Sie mir, er wird mit allem Einsatz für Ihre Sicherheit sorgen. Er kann sich kein Versagen erlauben.« Im Bewußtsein, damit die Wahrheit geäußert zu haben, sagte er der Ciristin nun eine neue Lüge ins von Ungläubigkeit und Bestürzung verzerrte Gesicht. »Andernfalls nämlich sieht er der Aburteilung durch das Genetikerkonzil des Demos entgegen.« Voller Befriedigung rieb DeTschenri sich die Hände.
Fran Brigge starrte ihn nur stumm an. Ohne Zweifel verstand er den wahren Charakter der Drohung.
»Das ... das geht nicht.« Djamenah Shara strich sich fahrig mit der Hand über die Stirn, schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht mit ihm ...«
»Es gibt für Sie keinen zuverlässigeren Leibwächter«, bekräftigte DeTschenri launig seine Aussagen, entzog fran seine Aufmerksamkeit, als wäre der Ex-Genetikus nur ein unwichtiger Biotiker. »Was haben Sie als nächstes vor?«
Die Ciristin zauderte einen Moment lang; dann antwortete sie: »Ich will ins Habitat der Metamathematiker. Ich stamme von dort ...« Ihr Blick gewann eine gewisse Wehmütigkeit.
»Aha.« DeTschenri bezweifelte, daß sie diesen Entschluß lediglich aus Sentimentalität gefaßt hatte. »Aus einem bestimmten Grund?«
»Bei den Multidimensionsmechanikern ist mir eine Formel genannt worden.« Djamenah Shara hob die Schultern. »Sie soll so etwas wie ein Schlüssel zum Exil der Messianer sein. Möglicherweise können die Metamathematiker mir weitere Erkenntnisse vermitteln.«
»Ausgezeichnet.« DeTschenri brauchte seine Freude nicht zu heucheln. »Sobald ich im NAK-Zentrum bin, werde ich Ihnen ein paar tüchtige Mitarbeiter nachschicken, deren Aufgabe es sein wird, unsere künftigen Kontakte zu garantieren. Wenn Sie etwas brauchen, teilen Sie's mir mit.«
Er entschied, daß jetzt der rechte Zeitpunkt war, um den Auftritt zu beenden; seine Nervosität wuchs, denn je länger sich das Zusammensein mit der Ciristin ausdehnte, um so mehr erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, daß ihm ein
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