Akt der Liebe - Lansdale, J: Akt der Liebe - Act of Love
er versicherte mir, seine Information sei okay. Also bin ich hingefahren. Es war Licht, und die Tür war nicht verschlossen. Niemand reagierte auf mein Türklingeln. Ich drückte die Tür auf und ging hinein. Die kleine Missgeburt lag im Flur. Seine Gehirnmasse klebte überall an den Wänden. Das alte Mädchen lag im Schlafzimmer und war im selben Zustand und dann Milo in seinem Büro. Was von seinem Kopf übrig war, verteilte sich über den ganzen Schreibtisch. Er hielt eine Automatik mit Schalldämpfer in seiner Hand.«
»Selbstmord.«
»Nein. Es sollte nur danach aussehen. Keine Schmauchspuren an seiner Hand. Die Waffe wurde dem Toten nachträglich in die Hand gedrückt. Außerdem hat der Finger am Abzug einen blauen Fleck, und der Fingernagel ist abgebrochen. Jemand hat das Kind umgebracht, dann die Frau und schließlich Milo. Er hat versucht, es nach Selbstmord aussehen zu lassen. Es war der Hacker.«
»Das ist nicht sein Stil.«
»Der Bastard ist nicht dumm, Hanson. Er hat gewusst, dass Milo Verdacht geschöpft hat. Er muss geplant haben, ihn sich heute Nacht zu holen. Milo hat gewartet, bis seine Familie schläft, und dann hat er mich angerufen. So muss es sich abgespielt haben, er hat mich gerade noch so erreicht,
bevor der Hacker kam, um seine Familie zu töten und den Selbstmord vorzutäuschen.«
»Mein Gott.«
»Ich weiß genau, dass es der Hacker war. Der Beweis ist im Haus. Ich hätte ihn mitbringen können, aber ich wollte, dass Sie ihn, sagen wir mal, in seinem natürlichen Zustand sehen.«
»Wir müssen die Polizei verständigen.«
»Das werden wir. Nachdem ich die Leichen gefunden hatte, habe ich das Licht ausgemacht und draußen im Gebüsch auf Sie gewartet. Mein Auto steht einen Block weiter. Stellen Sie Ihren Wagen dahinter ab, und dann gehen wir zu Fuß zurück. Das ist sicherer.«
»In Ordnung, Barlowe. Aber wenn Sie mich reinlegen wollen, breche ich Ihnen das Genick, so als wäre es nur ein Hühnerknochen.«
»Sagen Sie doch so was nicht«, sagte Barlowe. »Vor Angst bricht mir gleich der Schweiß aus.«
Hanson presste die Zähne aufeinander und schwieg. Er fuhr um den Block und dann Richtung Milos Haus. Er hielt an, als Barlowe sagte: »Da drüben ist mein Wagen. Stellen Sie Ihren dahinter ab.«
Hanson parkte und stieg aus. Im strömenden Regen stand Barlowe vor der offenen Autotür, stützte beide Arme ab und zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Hemdtasche. Er schüttelte eine der feucht gewordenen Zigaretten heraus und fummelte an der Schachtel herum, die ihm aus den Händen glitt und ins Auto fiel.
Hanson ging um den Wagen herum, und als er Barlowe da so stehen sah, konnte er es sich nicht verkneifen, zu fragen: »Der alte, stahlharte Barlowe ist doch nicht etwa nervös?«
Barlowe beugte sich hinunter zum Sitz und kam mit seinen Zigaretten wieder hoch.
»Nein«, sagte er und schloss gelassen die Autotür. »Nur ungeschickt. Außerdem sind die Glimmstängel sowieso schon nass.« Er steckte die feuchte Zigarette zurück in die Schachtel und schob sie in seine Tasche.
»Kommen Sie«, sagte Hanson. »Ich bin schon völlig durchgeweicht.«
Schnell gingen die beiden Männer zum Haus.
Drinnen empfing sie der Geruch von Tod, Blut und Exkrementen. Filme verliehen dem Tod immer etwas Glamouröses. Durch die Wucht eines Schusses fällt ein Körper nach hinten, und plötzlich fließt Blut in Strömen. Im wirklichen Leben ist es hässlicher, viel hässlicher. Im Augenblick des Todes entspannen sich meistens die Schließmuskeln. Danach breitet sich bald ein ekelerregender Gestank nach Gasen und Exkrementen aus. Mitunter verrenkt sich der Körper aufgrund krampfartiger Zuckungen und verhärtet sich, wenn die Totenstarre einsetzt. Alles Menschliche entschlüpft dem Körper wie ein Schmetterling seinem Kokon. Übrig bleibt eine Hülle. Eine steife, leblose, stinkende Hülle.
Das war es auch, was von Milos Familie übrig geblieben war. Hüllen.
Der Junge lag im Eingangsbereich. Bereits verkrustetes Blut und eine graue Masse klebten an der Wand direkt hinter ihm. Er trug einen Pyjama. Sein Kopf war zerschmettert wie eine Wassermelone, die aus dem zwanzigsten Stockwerk gefallen war.
Hanson schaltete seinen Polizistenmagen ein. Viele Male hatte er so etwas gesehen. Er würde sich nie daran gewöhnen können.
Barlowe wirkte wie ein gelangweilter Reiseleiter. Durch den Flur führte er Hanson in das Schlafzimmer. Die Tür stand offen. Barlowe nahm seine Brieftasche heraus und
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