Akt der Liebe - Lansdale, J: Akt der Liebe - Act of Love
unter die Schreibtischlampe.
»Das muss das Blatt sein, das unter dem lag, auf dem Milo geschrieben hat. Entweder war er dabei, seine Erklärung zu beenden, oder er wollte eine neue Seite nehmen. Sie können es doch sehen, oder?«
Hanson antwortete nicht. Das meiste konnte er sehr gut entziffern, aber um sicherzugehen, legte er den Block auf den Tisch und ließ sich Barlowes Bleistift geben.
Er fuhr behutsam mit der Stiftspitze über die Abdrücke und schattierte sie.
… deswegen bin ich sicher, dass der Killer kein anderer sein kann als der in der Abteilung beschäftigte Joe Clark. Außerdem haben die Ergebnisse der Spurensicherung bereits ergeben …
Beim restlichen Text war nicht kräftig genug aufgedrückt worden, um einen Abdruck zu hinterlassen, oder Milo hatte mitten im Satz abgebrochen. Hanson riss das Blatt vom Block ab und steckte es in seine Hemdtasche.
»Nun«, sagte Barlowe.
»Clark, das Arschloch, ist so gut wie tot.« Vor Hanson blitzte das Bild seiner zerstückelten Familie auf.
»Er muss das alles hier so arrangiert haben, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf die Abteilung zu lenken. Denn würde das hier wie ein Werk des Hackers aussehen mit einem Polizisten als Opfer …«
»… dann würde es nur noch mehr Aufmerksamkeit auf ihn ziehen«, schloss Hanson den Satz.
»Genauso sieht es für mich aus.«
»Hören Sie, Sie werden Ihren gottverdammten Knüller kriegen. Fahren Sie direkt zu mir nach Hause, und schildern Sie den Kollegen dort den Stand der Dinge. In einem
VW-Bus vor der Tür sitzen zwei Detectives. Zwei sind hinter dem Haus, und einer sitzt drinnen. Sagen Sie ihnen, ich hätte Sie geschickt. Sagen Sie ihnen aber nicht, dass ich zu Clark fahre. Sie halten Ihren Mund bei dieser Sache, und ich werde dafür sorgen, dass Sie das beste Interview Ihres Lebens bekommen, ein Interview mit dem Mann, der dem Houston Hacker das Hirn weggeblasen hat.«
Hanson kniete sich hin und nahm die Automatik aus Milos Fingern.
»Das ist ein Deal.«
»Geben Sie mir das Telefonregister. Ich brauche Joes Adresse.«
»Sie kennen nicht mal die Adresse Ihres Partners?«
»Geben Sie mir das verdammte Telefonregister, oder Sie leisten Milo Gesellschaft.«
»Kein Grund, so gereizt zu sein.« Barlowe zog sein Hemd aus der Hose, hob damit das Telefon hoch und zog das Register darunter hervor. Er schlug es auf und sah unter Clark nach. Er benutzte den Block vom Tisch und seinen Bleistift, den Hanson auf den Schreibtisch geworfen hatte, schrieb darauf den Namen Clark und darunter die Adresse.
Hanson nahm das Stück Papier, las die Notiz darauf und stopfte es in seine Hemdtasche.
»Wissen Sie, wo ich wohne?«, fragte Hanson.
»Ja, es wird nicht lange dauern, bis ich dort bin.«
»Fahren Sie langsam. Ich brauche so viel Zeit wie möglich.«
»Klar.«
Hanson schob die Automatik in seinen Hosenbund und machte sich auf den Weg. Barlowe warf einen letzten Blick auf Milos Leiche und schaltete das Licht aus.
KAPITEL 10
SONNTAG · 4.47 Uhr und später
Es war alles wie ein Alptraum. Die Dinge hatten sich so schnell entwickelt, dass Hanson unfähig war, sie tatsächlich zu realisieren. Wie er vermutet hatte, wie er seit einiger Zeit tief im Innern befürchtet hatte: Joe Clark war der Hacker. Joe, sein Partner und Freund. War es möglich, dass Joe schizophren war? Konnte die eine Hälfte ein Freund sein und die andere ein Mörder? Doc Warren hatte auf diese Möglichkeit hingewiesen.
Sollte er, Hanson, zum einen Clark hassen, weil er ein Dämon war, zum anderen den Freund in ihm lieben? Das alles schien so völlig unmöglich.
Aber vielleicht wusste Clark darüber Bescheid, wie es sich mit ihm letztendlich verhielt Vielleicht gab es nur eine eiskalte, berechnende Persönlichkeit, die ihre freundliche Seite jederzeit zeigen konnte, wenn es notwendig war.
Wie auch immer, der Mann musste ausgelöscht werden. »Sie könnten es sein oder ich«, hatte Warren gesagt. »Es steckt in uns allen.«
Das ist nicht wahr, sagte sich Hanson. Doch dann wurde ihm etwas knallhart bewusst. Wenn das alles nicht stimmt, warum fahre ich dann mit siebzig Meilen auf einem regennassen Highway und will einem Mann ohne den Segen eines Richters, von Geschworenen oder eines Henkers das Gehirn wegpusten?
Nein, es stimmt. Tief in unserem Innern steckt in jedem von uns die archaische Bestie, und es war viel zu spät, das Steuer herumzureißen.
Um 5.22 Uhr erreichte Hanson Clarks Apartment. Er ging die Treppe bis zum zweiten Stock
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