Akte Atlantis
passieren durfte. Ein Verwaltungsangestellter brachte ihn zum Büro von Dr. Bell.
Pitt war dem Arzt schon mehrmals begegne t, nicht als Patient, sondern bei gesellschaftlichen Anlässen, bei denen Gelder für die Krebsstiftung gesammelt wurden, die sein Vater, Senator George Pitt, und Dr. Bell leiteten. Aaron Bell war Mitte sechzig, ein Choleriker, viel zu dick, mit hochrotem Gesicht und ständig unter Hochspannung stehend. Er rauchte zwei Schachteln Zigaretten am Tag und trank dazu zwanzig Tassen Kaffee. Sein Lebensmotto, das er jederzeit verkündete, lautete: »Lass es krachen und genieße das Dasein, solange es währt.«
Er stand von seinem Schreibtisch auf wie ein Bär, der sich auf die Hinterhand erhebt. »Dirk?«, rief er lauthals. »Schön, Sie zu sehen. Wie geht’s dem Senator?«
»Lässt sich ein weiteres Mal zur Wahl aufstellen.«
»Der gibt nie auf, genau wie ich. Setzen Sie sich. Sie sind bestimmt wegen der Frau hier, die letzte Nacht eingeliefert wurde.«
»Hat Ken Helm angerufen?«
»Sonst wären Sie hier gar nicht reingekommen.«
»Ich hatte nicht das Gefühl, dass man in dieser Klinik auf Schritt und Tritt überwacht wird.«
»Ein schiefer Blick auf eine der Kameras, und Sie werden erleben, was passiert.«
»Hat sie bleibende Hirnschäden erlitten?«
Bell schüttelte den Kopf. »In ein paar Wochen ist sie wieder auf den Beinen. Eine unglaubliche Konstitution. Die ist nicht wie die meisten anderen Frauen gebaut, die hierher kommen.«
»Sie ist sehr attraktiv«, sagte Pitt.
»Nein, nein, ich rede nicht vom Aussehen. Diese Frau stellt etwas ganz Besonderes dar, genau wie ihre Verwandte, deren Leiche Sie uns aus der Antarktis geschickt haben.«
»Nach Auskunft des FBI sind sie Cousinen.«
»Trotzdem stimmen sie genetisch völlig überein«, erwiderte Bell ernst. »Zu sehr, genau genommen.«
»Wie das?«
»Ich habe an der pathologischen Untersuchung teilgenommen und anschließend anhand der Gewebeproben die körperlichen Eigenschaften mit denen der jungen Dame verglichen, die da hinten im Bett liegt. Hier handelt es sich um mehr als nur um eine Ähnlichkeit unter Familienangehörigen.«
»Helm sagte mir, dass Heidis Leiche hier in der Klinik liegt.«
»Ja, auf einem Tisch in der Pathologie unten im Keller.«
»Ist es nicht möglich, dass sich Familienmitglieder, vor allem Cousinen, die ja recht ähnliche Gene haben, wie ein Ei dem anderen gleichen?«
»Unmöglich ist es nicht, aber äußerst selten«, erwiderte Bell.
»Es heißt doch, dass wir alle irgendwo einen Doppelgänger haben.«
Bell lächelte. »Gott möge dem armen Kerl beistehen, der so aussieht wie ich.«
»Und worauf deutet das alles hin?«, fragte Pitt.
»Ohne monatelange Tests und Untersuchungen kann ich nichts beweisen, und mit meiner Meinung stehe ich allein auf weiter Flur. Ich bin bereit, meinen guten Ruf darauf zu verwetten, dass die beiden jungen Damen, die Lebende und auch die Tote, künstlich hergestellt wurden.«
Pitt schaute ihn an. »Wollen Sie etwa andeuten, dass es Androiden sind?«
»Nein, nein.« Bell winkte ab. »So was Lächerliches meine ich nicht.«
»Klons?«
»Ganz und gar nicht.«
»Was dann?«
»Ich glaube, ihr Genmaterial wurde manipuliert.«
»Ist das denn möglich?«, fragte Pitt ungläubig. »Sind dafür überhaupt die wissenschaftlichen und technologischen Voraussetzungen vorhanden?«
»Es gibt eine Menge Labors, in denen Wissenschaftler an der Vervollkommnung des menschlichen Körpers durch genetische Manipulation arbeiten, aber meines Wissens experimentieren sie bislang noch mit Mäusen. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass Elsie eines Tages vermutlich ihren hundertzwanzigsten Geburtstag feiern wird, wenn es ihr nicht so geht wie Heidi, wenn sie nicht unter einen Lastwagen gerät oder von einem eifersüchtigen Liebhaber umgebracht wird.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich so lange leben möchte«, sagte Pitt nachdenklich.
»Ich auch nicht«, versetzte Bell lachend. »Jedenfalls nicht in dieser ollen Hülle.«
»Kann ich Elsie jetzt sehen?«
Bell erhob sich von seinem Schreibtisch und geleitete Pitt aus dem Büro und den Flur entlang. Seit er die Klinik betreten hatte, hatte Pitt außer Dr. Bell und dem Verwaltungsangestellten im Foyer niemanden gesehen. Die Klinik wirkte unglaublich sauber und steril, so als hielte sich hier keine Menschenseele auf.
Bell blieb vor einer unbewachten Tür stehen, schob eine Karte in den Schlitz des elektronisch gesicherten Schlosses und stieß
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