Akte Atlantis
die Häuser.«
»Selbstverständlich nicht.« Sie wurde von einem ihrer Mitarbeiter unterbrochen, der etwas von ihr wissen wollte.
»Entschuldige bitte. Ein Wähler hat angerufen und sich über die Schlaglöcher auf der Straße vor seinem Haus beschwert.«
»Das Abgeordnetendasein muss doch trostlos sein«, erwiderte er.
»Weil du so unwirsch bist, darfst du mich zum Abendessen ins St. Cyr’s ausführen.«
»Geschmack hast du jedenfalls«, sagte Pitt. »Das kostet mich ein Monatsgehalt. Aus welchem Anlass?«.
»Ich habe eine ziemlich dicke Akte über die Destiny Enterprises vor mir auf dem Schreibtisch liegen, aber dafür musst du was springen lassen.«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du im falschen Gewerbe bist?«
»Ich habe mich bei so vielen Wahlkampfveranstaltungen gut verkaufen müssen, dass ich mit jeder Hure mithalten kann.«
Pitt hielt vor dem großen Hangartor und gab eine Codenummer in die Fernbedienung ein. »Du hast doch hoffentlich einen Tisch reserviert. Im St. Cyr’s kann man nicht einfach reingeschneit kommen.«
»Ich habe dem Chef mal einen Gefallen getan. Verlass dich drauf, wir kriegen den besten Tisch des Hauses. Hol mich um halb acht ab.«
»Kriegst du auch einen Rabatt auf den Wein?«
»Stell dich nicht so an«, sagte Loren. »Bis dann.«
Pitt hatte keine Lust, sich eine Krawatte umzubinden, mochte der Laden noch so elegant sein. Als er mit dem Ford vor Lorens Stadthaus in Alexandria vorfuhr, trug er eine graue Hose, ein dunkelblaues Sportsakko und einen safrangelben Rollkragenpulli. Loren winkte ihm von ihrem Balkon im dritten Stock aus zu und kam herunter. Sie war schick und elegant wie immer, trug eine anthrazitfarbene, mit Spitze und Perlen besetzte Jacke, eine weite Pluderhose und einen knielangen schwarzen Webpelzmantel. Der dunkelgraue Lederaktenkoffer in ihrer Hand passte genau zur Kleidung.
Pitt stand auf dem Gehsteig und hielt ihr die Tür auf. »Danke sehr. Wenigstens gibt es noch ein paar Männer, die wissen, was sich gehört«, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.
Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. »Die gute alte Schule.«
Das Restaurant lag auf der anderen Seite des Capitol Beltway, drüben im Bezirk Fairfax in Virginia, keine drei Kilometer weit entfernt. Der junge Mann, der die Autos der Gäste einparkte, bekam leuchtende Augen, als er die heiße Karre sah, die vor dem Restaurant hielt, und das satte Blubbern aus den Auspufftöpfen hörte.
Er reichte Pitt den Abholschein, doch bevor er wegfahren konnte, beugte sich Pitt noch einmal in den Wagen und warf einen Blick auf den Tacho. »Stimmt was nicht, Sir?«, fragte der Parkwächter.
»Wollte bloß mal auf den Tachostand schauen«, erwiderte Pitt und warf ihm einen wissenden Blick zu.
Das ernüchterte den jungen Mann, der eben noch davon geträumt hatte, mit dem Hot Rod ein bisschen durch die Gegend zu heizen. Langsam fuhr er den Ford weg und parkte ihn neben einem Bentley ein.
Das St. Cyr’s war ein elegantes kleines Speiserestaurant im Erdgeschoss eines hochherrschaftlichen Backsteinhauses aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Inhaber und Küchenchef hatte zuvor in Cannes und Paris gearbeitet, wo er von zwei wohlhabenden Grundstücksmaklern entdeckt wurde, die etwas von Wein und gutem Essen verstanden. Sie finanzierten ihm das Restaurant und traten ihm fünfzig Prozent davon ab. Marokkanisches Mobiliar und allerlei Arabesken zierten den ganz in Gold und Blau gehaltenen Speiseraum. Es gab nur zwölf Tische, für die sechs Kellner und vier Bedienungshilfen zuständig waren. Doch am meisten genoss Pitt die Ruhe, die hier herrschte, denn die schweren Vorhänge, die dicken Teppiche und die mit zahllosen Stoffbahnen drapierten Wände dämpften jeden Ton. Hier musste man sich nicht anschreien wie in manch anderem Restaurant, wo einem vor lauter Lärm der Appetit verging.
»Wein oder Champagner?«, fragte Pitt, nachdem sie der Oberkellner zu einem Tisch in einem kleinen Nebenraum geleitet hatte.
»Was soll die Frage?«, sagte sie. »Du weißt doch, dass ich bei einem guten Cabernet immer schwach werde.«
Pitt bestellte beim Weinkellner eine Flasche Martin Ray Cabernet Sauvignon und lehnte sich in dem Ledersessel zurück.
»Nun erzähl schon, was du über die Destiny Enterprises rausgefunden hast.«
Loren lächelte. »Erst wenn du das Essen bestellt hast.«
»Aha, noch ein Politiker der die Hand aufhält.«
Sie bückte sich, öffnete ihren Aktenkoffer und holte mehrere
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