Akte Atlantis
dein Mann?«
»Den hab ich mit einem Stück Stromkabel von der Deckenbeleuchtung eingewickelt wie eine Seidenraupe.«
Giordino blickte auf die reglose Gestalt am Boden der Kammer, und die Augen unter der Taucherbrille wurden größer. Sichtlich beeindruckt schaute er Pitt an.
»Wissen die Talentsucher der National Football League über den Bescheid?«
»Wenn ja, hätte er längst einen Profivertrag«, sagte Pitt, der allmählich wieder gleichmäßiger atmete. »Nimm ihre Messer und alle anderen Waffen, die du findest. Danach besorgst du noch ein Stück Stromkabel, damit wir ihn fesseln können, bevor er wieder zu sich kommt und den ganzen Berg einreißt. Die Taucherbrillen brauchen sie nicht, sonst sehen sie zu viel.«
Giordino verschnürte den hünenhaften Taucher mit einem Stück Stromkabel und beförderte ihn nicht allzu sanft durch das Loch in den darunter liegenden Gang. Dann löste er ein, zwei Gewichte von den Bleigurten beider Männer, damit sie etwas Auftrieb bekamen und sich leichter durch die Stollen schleppen ließen. Außerdem nahm er ihnen die Messer ab. Bei dem Kleineren fand er zudem eine pressluftbetriebene Pistole, die eine mit Widerhaken bewehrte Harpune verschoss.
Während Giordino mit den Gefangenen beschäftigt war, löste Pitt ein großes Nylonnetz von seinem Bleigurt und öffnete den Metallverschluss.
Er betrachtete den düster dräuenden schwarzen Schädel, der ihn mit seinen leeren Augenhöhlen anzustarren schien.
Unwillkürlich fragte er sich, ob ein Fluch auf diesem Schädel lag. Welches Geheimnis verbarg sich dahinter?
Pitts Sinn fürs Praktische verdrängte alle abergläubischen Anwandlungen.
Zwar hatte auch er seine romantischen Seiten, aber auf Mythen und Märchen fiel er nicht herein. Alles, was er nicht mit den eigenen Sinnen sehen, erfahren oder erleben konnte, gab es für ihn nicht. Wenn er nicht rund fünfzig Meter tief unter Wasser gewesen wäre, hätte er dem Obsidianschädel in die leeren Augenhöhlen gespuckt.
Aber weil er ein wichtiges Bindeglied war, das womöglich zur Lösung des Rätsels beitragen konnte, war er fest entschlossen, ihn in die Hände von Leuten zu geben, die ihn eingehend untersuchen konnten.
»Tut mir Leid, mein Freund«, murmelte er so leise, dass Giordino ihn nicht hören konnte, »aber es wird Zeit, dass du deine Geheimnisse preisgibst.« Vorsichtig hob er den Schädel vom Piedestal und steckte ihn in seinen Netzbeutel. In dieser Tiefe ließ er sich mühelos tragen, aber sobald sie aus dem Wasser kamen, dürfte er gut und gern zwanzig Kilo wiegen. Er warf einen letzten Blick auf die Kammer, die Inschriften an den Wänden, die Strahler, die im Verlauf des Kampfes umgekippt waren und am Boden lagen. Dann stieß er kopfüber durch das Loch im Felsboden, achtete aber darauf, dass der Schädel nirgendwo anstieß und zerbarst. Giordino hatte die beiden Taucher bereits in den Stollen gezogen. Der Riese war wieder bei Bewusstsein und versuchte mit aller Kraft die Stromkabel zu sprengen, mit denen seine Knöchel gefesselt und die Arme eng an den Oberkörper geschnürt waren.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte Pitt.
»Du übernimmst den Schädel und den Sack mit der Fotoausrüstung. Ich schleppe den Müll raus.«
»Dann schwimmst du am besten voraus, und ich halte mich hinter dir. Auf diese Weise habe ich sie ständig im Auge, nur für den Fall, dass unser Großer sich losreißt.«
Giordino reichte ihm die kleine, mit einer Harpune geladene Pistole.
»Schieß sie ihm in den Adamsapfel, wenn er auch nur den kleinen Finger rührt.«
»Wir müssen uns die Dekopausen genau einteilen.
Möglicherweise reicht die Luft nicht für uns vier.«
Giordino winkte ungerührt ab. »So leid’s mir tut, aber ich bin nicht in Spendierlaune.«
Der Rückweg ging nur langsam vonstatten. Giordino stellte fest, dass er besser vorankam, wenn er nicht schwamm, sondern auf den Lorengleisen entlangging und die beiden Taucher mitsamt ihren Geräte hinter sich herzog. Trotzdem verbrauchten sie in dem langen Gang kostbare Atemluft. Pitt behielt seinen Finimeter ständig im Auge; er wusste, dass sein Luftvorrat zur Neige ging. Das Messgerät zeigte einen Flaschendruck von nur mehr fünfzig Bar an. Er und Giordino hatten bei dem Tauchgang doppelt so viel Luft verbraucht wie vorgesehen, vor allem durch den Kampf mit den beiden Eindringlingen, mit denen sie nicht gerechnet hatten.
Er rollte sich vornüber, stieß mit einem Flossenschlag zu den beiden gefesselten Tauchern vor und
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