Akte Mosel
Woche.«
»Waldemar Bock«, Walde vermeidet einen Händedruck.
»Ich dachte, Sie heißen Stefan?«
»Harry hat einen kleinen Derrick-Tick.« Walde schaut wieder zur Leiche. »Vermutliche Todesursache?«
»Die schwere Kopfverletzung deutet auf Fremdverschulden hin.«
Die umstehenden Gaffer recken die Hälse.
»Es ist nicht der Schädel, sondern der Hals, ich tippe auf Fischfraß, der hat ja nicht erst seit gestern im Wasser gelegen«, mischt sich Harry ein. »Kann sein, daß der Mann sich abkühlen wollte, dann, zack, Herzschlag, vorbei.« Harry klatscht in die Hände, Grabbe zuckt zusammen. »Schätze, es ist der Arbeiter, der bei Wasserliesch vom Moselbagger gefallen ist.«
»Mal sehen, was die Pathologie sagt. Sollte er nicht in der Vermißtenkartei auftauchen, muß die Presse ran«, Walde verscheucht eine dicke Schmeißfliege.
»Für die Zeitung hat er wohl schon ein wenig zu lange in der warmen Brühe gelegen, Stefan, oder wollen Sie sich so ein Bild beim Frühstück ansehen, Herr Grabbe?«
Grabbe würgt und wankt zu dem gequälten Obstbaum zurück.
»Kann er zur Untersuchung?« fragt Harry.
Als Walde nickt, zwinkert Harry und ruft: »Kann mir bitte jemand beim Tragen helfen?«
Die eben noch neugierigen Schiffer verlieren schlagartig das Interesse und haben es plötzlich eilig, zu ihren Kähnen zurückzukehren.
Walde fährt ins Präsidium. Die Luft in seinem Büro ist stickig, er öffnet beide Fenster. Was hereinströmt, hat mit Frischluft wenig zu tun. Die Abgase, die von den Straßen aufsteigen, mischen sich mit der seit Tagen über der Stadt hängenden Dunstglocke.
Immer noch besser als der Scheiß, der hier in der muffigen Luft hängt, denkt Walde. Sein Büro ist von der Truppe, die kürzlich das gesamte Präsidium auf Belastungen durch PCB und Asbest untersuchte, als deutlich unter dem zulässigen Grenzwert belastet eingestuft worden. Aber warum andere, im Prinzip baugleiche Büros geräumt werden mußten, leuchtet ihm nicht ganz ein. Eine Zeit lang hieß es sogar, das ganze Gebäude müsse abgerissen werden. Dem Stadtbild hätte es bestimmt gutgetan, wenn der achtstöckige Plattenbau verschwunden wäre.
In der Kantine im 7. Stock fragt die Frau an der Kasse: »Na, waren Sie schwimmen?«
Walde zahlt den Kaffee und zwei belegte Brötchen: »Nicht so laut, sonst werden die Kollegen noch neidisch!«
Die Hitze in seinem Dienstwagen auf dem Weg durch den Feierabendverkehr von der Mosel zum Präsidium, das heiße Büro und zuletzt die Treppe hoch zur Kantine haben ihm den Schweiß aus allen Poren getrieben. Seine Haare klatschen am Kopf.
Beim Essen schaut Walde aus dem Fenster. Gleich gegenüber ragen die Ruinen der Kaiserthermen, einer Badeanlage aus den römischen Tagen der Stadt, aus grasbewachsenen Hügeln. Ringsherum quält sich der frühe Feierabendverkehr.
Die Brötchen ziehen sich wie Gummi. Der Salat unter der Wurst hat schlappgemacht. Die Mahlzeiten mit Anna waren schöner …
In seiner Hosentasche niest das Telefon. Den Ton hat Harry einprogrammiert. Er hört sich fast echt an und hat den Effekt, daß an unpassenden Örtlichkeiten nicht gleich alle Leute auf ihn aufmerksam werden. Die Frau hinter der Theke wünscht grinsend Gesundheit, als Walde sein Handy aus der Tasche fingert.
»Ja? Bock.«
»Wir sind unterwegs zum Spielplatz auf der Kenner Lay. Der Kerl soll …«, Harry ist durch das Martinshorn schwer zu verstehen. »… ein Mofa fahren.«
»Verstanden, ich komme.« Walde springt auf. Im Fahrstuhl weist er die Zentrale an, alle verfügbaren Streifenwagen Richtung Kenn zu schicken. Alle Mofafahrer, die im Umkreis unterwegs sind, sollen kontrolliert und die Personalien festgehalten werden.
Schaulustige drängen sich vor zwei Streifenwagen, die mit eingeschaltetem Blaulicht die Zufahrt zum Spielplatz in Kenn blockieren. Dahinter stehen ein Zivilfahrzeug und ein Polizeibus, dessen Schiebetür offen steht. Drinnen sitzt Gabi Wagner, Kommissarin der Kriminalinspektion Sexualdelikte, zwei Kindern gegenüber, die immer wieder ängstlich aus dem Fenster auf die Polizisten und die Menge dahinter starren.
Harry und Grabbe stehen mit dem Rücken zum Bus. Eine Frau wird von den Polizisten durchgelassen und drängt sich an den beiden vorbei. Die Kinder springen auf und umarmen sie.
Gabi steigt aus: »Wir fahren jetzt mit der Mutter und den Kindern zum Präsidium.« Sie deutet auf das jüngere Mädchen. »Nina, sie ist sieben, wurde von einem fremden Mann angesprochen. Als die
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