Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
Atem Nebelwolken in der kalten Luft, während er lässig die Straße entlangschlenderte.
Er konnte es sich leisten, sich Zeit zu lassen.
Doch für Catherine Weaver und Victor Holland lief die Zeit ab.
4. KAPITEL
E s gab keine Zeit zum Ausruhen. Sie joggten die nächsten sechs Querstraßen weit, viele Meilen, wie es Cathy erschien. Victor bewegte sich unermüdlich, führte sie durch Seitenstraßen, vermied belebte Kreuzungen. Sie überließ ihm das Denken und die Führung. Ihr Entsetzen wich allmählich Betäubung und einem verwirrenden Gefühl von Unwirklichkeit. Die Stadt selbst wirkte wie eine Traumlandschaft … Asphalt und Straßenlampen und endlose verschlungene Pfade auf Beton. Die einzige Realität war der Mann, der dicht neben ihr ging, die Augen hellwach, die Bewegungen schnell und sicher. Sie wusste, dass auch er Angst haben musste, aber sie konnte seine Angst nicht sehen.
Er griff nach ihrer Hand. Die Wärme und Kraft seiner Finger schien auf ihre kalten, erschöpften Glieder überzufließen.
Sie beschleunigte ihren Schritt. „Ich glaube, da vorne ist eine Polizeistation, noch ein oder zwei Straßen weiter …”
„Wir gehen nicht zur Polizei.”
„Was?” Sie erstarrte auf der Stelle.
„Noch nicht. Erst muss ich das alles durchdenken.”
„Victor”, sagte sie langsam. „Jemand versucht, uns umzubringen. Versucht, mich umzubringen. Was meinen Sie damit, Sie müssen das alles durchdenken?”
„Hören Sie, wir können nicht hier herumstehen und darüber reden. Wir müssen weg von der Straße.” Er packte sie erneut an der Hand. „Kommen Sie!”
„Wohin?”
„Ich habe ein Zimmer. Es ist nur ein paar Straßen entfernt.”
Sie ließ sich ein paar Meter weiterziehen, bevor sie sich losriss. „Einen Moment! Warten Sie doch!”
Sein Gesicht spiegelte seine Frustration. „Worauf soll ich warten? Dass dieser Irre uns einholt? Dass wieder Kugeln fliegen?”
„Ich will eine Erklärung!”
„Ich werde alles erklären, sobald wir in Sicherheit sind.”
Sie wich zurück. „Warum haben Sie Angst vor der Polizei?”
„Weil ich nicht sicher sein kann, dass sie ehrlich spielt.”
„Was haben Sie denn getan?”
Mit zwei Schritten war er bei ihr und packte sie hart an den Schultern. „Ich habe Sie gerade aus einer Todesfalle herausgeholt, denken Sie daran! Diese Kugeln sind durch Ihr Fenster geflogen, nicht durch meines!”
„Vielleicht waren diese Kugeln auf Sie gezielt!”
„Also schön!” Er ließ sie los. „Sie wollen es auf eigene Faust versuchen? Tun Sie es. Vielleicht wird Ihnen die Polizei helfen. Vielleicht auch nicht. Ich kann das nicht riskieren. Nicht, solange ich nicht alle Mitspieler im Hintergrund kenne.”
„Sie … Sie lassen mich gehen?”
„Sie waren nie meine Gefangene.”
„Nein.” Sie holte tief Luft und blickte die Straße entlang zu der Polizeistation. „Es ist doch nur vernünftig”, murmelte sie. „Dafür ist die Polizei ja da.”
„Richtig.”
Sie runzelte die Stirn. „Die werden eine Menge Fragen stellen.”
„Was werden Sie erzählen?”
Sie sah ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. „Die Wahrheit.”
„Die im besten Fall unvollständig, im schlimmsten Fall unglaubwürdig sein wird.”
„Das zersplitterte Glas in meinem Apartment ist ein Beweis.” „Schüsse aus einem vorbeifahrenden Wagen, ganz wahllos.” „Es ist Aufgabe der Polizei, mich zu beschützen.” „Und wenn die Polizei nicht glaubt, dass Sie Schutz brauchen?”
„Dann werde ich von Ihnen erzählen! Von Sarah.”
„Man könnte Sie ernst nehmen, aber auch nicht.”
„Die Polizei muss mich ernst nehmen! Jemand versucht, mich umzubringen!” Ihre vor Verzweiflung schrille Stimme schien durch das endlose Gewirr der Straßen zu hallen.
„Ich weiß das”, sagte er ruhig.
Sie blickte wieder zu der Polizeistation. „Ich gehe.”
Er sagte nichts.
„Wo werden Sie sein?” fragte sie.
„Allein. Vorerst.”
Sie tat zwei Schritte und blieb stehen. „Victor?”
„Ich bin noch immer hier.”
„Sie haben mir wirklich das Leben gerettet. Danke.”
Er antwortete nicht. Sie hörte, wie sich seine Schritte langsam entfernten. Sie stand da und überlegte, ob sie das Richtige tat. Natürlich tat sie es.
Victors Schritte verklangen.
In diesem Moment erkannte sie, dass sie den einzigen Mann verloren hatte, der alle ihre Fragen beantworten konnte. Sie fühlte sich verlassen. In plötzlicher Panik wirbelte sie herum und rief: „Victor!”
Am Ende des Blocks
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