Akte X
verzehrt. Die Wände waren geschwärzt, die hölzernen Träger verkohlt, die Büromöbel aus Plastik zu bizarren Schlackeklumpen geschmolzen. Einige Dachbalken waren heruntergefallen, während andere notdürftig von den Betonwänden und Metallträgern gestützt wurden. Zwischen Asche und geborstenem Mauerwerk lagen überall Glassplitter herum.
Als sie den Kamm der Anhöhe und den schiefen Ma-schendrahtzaun um das Gelände erreicht hatten, hielt Mulder den Wagen an und spähte durch die Windschutzscheibe. »Ein echtes Schnäppchen«, meinte er. »Ich muß unbedingt mit meinem Immobilienmakler sprechen.«
Scully stieg aus dem Wagen und sah zu ihm hinüber. »Für ein Kaufangebot ist es zu spät - in ein paar Tagen wird das Gebäude abgerissen, um einem neuen Bürozentrum Platz zu machen.« Sie betrachtete die dichten, dunklen Kiefern und blickte dann hinunter ins Tal, wo sich Portland mit seinem gewundenen Fluß und seiner Brückenkette ausbreitete.
Mulder fiel auf, daß es der Bautrupp offenbar sehr eilig hatte. Bei diesem Tempo würden Scully und er kaum genug Zeit haben, eine ordentliche Untersuchung durchzuführen.
Mulder öffnete das Maschendrahttor des auf weiter Strecke beschädigten und durchlöcherten Zauns, an dem in regelmäßigen Abständen Schilder mit der Aufschrift Gefahr und Warnung hingen, um vom Betreten des halb eingestürzten Gebäudes abzuhalten. Aber er bezweifelte, daß sich der harte Kern der Vandalen davon beeindrucken ließ.
»Offenbar hat Vernon Ruckmans Tod eine größere abschreckende Wirkung als irgendwelche Schilder oder Wachleute«, meinte Scully. Sie hielt sich einen Moment am Maschendraht fest und folgte dann Mulder zur Brandruine. »Ich habe mit der Ortspolizei gesprochen und nachgefragt, wie weit ihre Untersuchung des Brandanschlags gediehen ist. Aber alles, was ich zu hören bekam, war: >Die Untersuchung läuft - noch keine Ergebnisse«
Mulder hob die Brauen. »Eine Protestiergruppe, die groß genug war, um sich in einen brandschatzenden Mob zu verwandeln, und sie können keine Mitglieder finden?«
Das FBI-Kriminallabor analysierte bereits das Bekennerschreiben. Am späten Abend müßten ihnen die Ergebnisse vorliegen; dann würden sie vielleicht herausfinden, wer hinter Befreiung Jetzt steckte. Mulders Eindruck nach schien der Brief das Werk eines blutigen Amateurs zu sein.
Mulder starrte auf die geschwärzten Mauern des DyMar-Forschungszentrums, dann betraten die beiden Agenten vorsichtig das Gemäuer. Der Geruch von Ruß, verbranntem Plastik und anderen flüchtigen Chemikalien brannte in Mulders Nase.
Als er in der Ruine stand und über den Hügelkamm zum Wald und der darunterliegenden Stadt blickte, versuchte sich Mulder auszumalen, wie es in jener Nacht vor anderthalb Wochen hier ausgesehen haben mochte, als ein Mob von aufgebrachten und entfesselten Demonstranten den Kiesweg herauf marschiert war. Er atmete tief die rußige Luft ein.
»Das beschwört Bilder von fackeltragenden Bauern herauf, nicht wahr, Scully?« Er musterte die einsturzgefährdete Decke, die gesplitterten Säulen, die geborstenen Mauern. »Ein Mob von wütenden Menschen stürmt den Hügel herauf, um das Labor des Bösen niederzubrennen und den verrückten Wissenschaftler zu töten.«
Scully wirkte zutiefst verstört. »Aber wovor hatten sie solche Angst?« fragte sie. »Was wußten sie? Hier ging es um Krebsforschung. Von allen Wissenschaften ist Krebsforschung mit Sicherheit das Gebiet, das selbst die militantesten Protestierer tolerieren.«
»Ich glaube nicht, daß sie Angst vor der Krebsforschung hatten«, erwiderte Mulder.
»Vor was dann?« fragte Scully und sah ihn verwirrt an. »Die Tierversuche? Ich weiß nicht, was für Experimente Dr. Kennessy durchgeführt hat, aber ich habe schon gegen militante Tierschützer ermittelt - sie brechen zwar manchmal ein und befreien ein paar Hunde und Ratten aus ihren Käfigen, aber ich habe noch nie erlebt, daß sie zu derart extremen Gewaltmaßnahmen gegriffen haben.«
»Ich glaube, es hat mit der Art der Forschung zu tun«, erwiderte Mulder. »Es muß sich um etwas sehr Beängstigendes gehandelt haben. Warum hätte man sonst all seine Unterlagen weggeschlossen?«
»Sie haben doch schon eine Idee, Mulder. Ich sehe es Ihnen an.«
»David Kennessy und sein Bruder haben durch ihre un
orthodoxen neuen Ansätze und Behandlungsmethoden, die von allen anderen längst verworfen wurden, für einiges Aufsehen bei ihren Forscherkollegen gesorgt. Laut Kennessys
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