Akte X
Sein wedelnder Schwanz schlug auf den Boden. »Guter Junge«, brummte Kennessy.
Jeremy Dorman verschwand aus dem Kamerabereich und tauchte ein paar Momente später mit einer Waffe wieder auf, einer unhandlichen, aber durchschlagskräftigen Smith & Wesson. Nach den Lentz vorhergehenden Berichten hatte Dorman sie persönlich in einem Portlander Waffengeschäft gekauft und bar bezahlt. Wenigstens war die Waffe nicht aus dem Forschungsetat finanziert worden.
Kennessy sprach wieder in die Kamera, während sein Assistent schwitzte. Dorman starrte die Waffe in seiner Hand an und dann den eingesperrten Hund.
»Was ich Ihnen jetzt zeigen werde, ist in extremster Weise schockierend. Ich muß wohl nicht extra erwähnen, daß alles real ist und keine Spezialeffekte oder sonstigen Tricks verwendet werden.« Er verschränkte die Arme und blickte fest ins Kameraobjektiv. »Meine Absicht ist, Sie so gründlich zu erschüttern, daß Sie bereit sind, all Ihre Vorurteile zu vergessen.«
Er wandte sich an Dorman. »Gridley, eröffnen Sie das Feuer.«
Dorman blickte verwirrt drein, als würde er sich fragen, was Kennessy meinte, und hob dann die Smith & Wesson. Er richtete die Waffe auf den Hund.
Vader spürte, daß etwas nicht stimmte. Er wich in den hinteren Teil des Käfigs zurück und knurrte dann laut und kehlig. Seine dunklen Augen bohrten sich in Dormans, und er fletschte die Zähne. Dormans Hand zitterte.
Kennessys Augen blitzten. »Kommen Sie, Jeremy, verdammt! Machen Sie es nicht schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Dorman feuerte zweimal. Die Schüsse klangen in der Videoaufzeichnung hohl und blechern. Beide Kugeln trafen den großen schwarzen Hund, und die Einschläge schmetterten ihn gegen den Maschendraht des Käfigs. Ein Schuß hatte Vaders Brustkorb durchschlagen; der andere zertrümmerte sein Rückgrat. Blut strömte aus den Wunden und durchtränkte sein Fell.
Niemand hätte in der Lage sein dürfen, eine Waffe in die DyMar-Laboratorien zu schmuggeln - die Sicherheitsvorkehrungen waren lächerlich lax! Aber schließlich hatte Kennessy auch den Hund hineingebracht, oder? Keine Papiere, keine Überprüfung, keine Verantwortung.
Vader jaulte und sank nach den Treffern in sich zusammen. Er keuchte.
Dorman starrte benommen die Waffe an. »Mein Gott!«
murmelte er. »Die militanten Tierschützer würden uns kreuzigen, David.«
Aber Kennessy beendete umgehend die unheilvolle Stille, die der Bemerkung folgte. Er trat vor und hielt seine kleine einstudierte Rede. Es war seine Show. Er wußte, daß sie ihren Zweck erfüllen würde, auch wenn sie vielleicht melodramatisch erschien.
»Mein Durchbruch in der medizinischen Nanotechnolo-gie öffnet die Türen zu vielen weiteren
Anwendungen. Deshalb haben so viele Menschen schon so lange daran gearbeitet. Die ersten Forscher, denen dieser Durchbruch gelingt, werden die Gesellschaft auf eine Weise verändern, die sich heute niemand vorstellen kann.« Kennessy klang, als würde er eine Rede vor einem Aufsichtsrat halten, während sein Hund angeschossen und blutend in seinem Käfig lag.
Lentz mußte einen Mann wie ihn einfach bewundern.
Er nickte unwillkürlich, beugte sich näher zum Bildschirm und legte die Ellbogen auf den Schreibtisch. Ein Grund mehr, diese Technologie streng zu kontrollieren und erst dann freizugeben, wenn wir es für notwendig halten.
Auf dem Bildschirm drehte sich Kennessy zum Käfig um und musterte den Hund mit klinischer Objektivität. »Nach einer derart schweren Verletzung blockieren die Nanomaschinen zunächst die Schmerzzentren des Hundes.«
Vader saß verwirrt in seinem Käfig. Seine Zunge hing heraus. Er hatte es mühsam geschafft, sich aufzurichten. Der Hund schien die klaffenden Löcher in seinem Rücken zu bemerken. Nach einem Moment legte sich der schwarze Labrador auf den Käfigboden und verschmierte sich das Fell mit dem Blut, das noch immer an seinen Seiten hinunterlief. Seine Augen fielen zu, sein Kopf sank auf seine Vorderpfoten, und er fiel in einen tiefen Schlaf. Er atmete tief ein und langsam wieder aus.
Kennessy kniete neben dem Käfig nieder und tätschelte
Vaders Kopf. »Seine Temperatur steigt bereits, eine Folge der überschüssigen Hitze, die von den emsigen Nanomaschinen erzeugt wird. Sehen Sie, die Blutung hat aufgehört. Jeremy, holen Sie die Kamera her, damit wir es in Großaufnahme zeigen können.«
Dorman blickte verwirrt drein und gehorchte. Er nahm die Kamera, und das Videobild wackelte und
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