Akte X
verschwamm, zeigte dann in alter Schärfe den Hund und schließlich eine Großaufnahme der Wunden. Kennessy ließ für einen Moment die Bilder für sich sprechen, ehe er seinen Vortrag fortsetzte.
»Ein derart schweres physiologisches Trauma ist natürlich leichter zu beheben als eine weitverbreitete Krankheit wie Krebs. Die Nanomaschinen haben sich selbst auf das DNS-Muster des Hundes programmiert und werden die nötigen Reparaturen vornehmen. Eine Schußverletzung erfordert einiges Flickwerk, zellulare Verbände und Geweberekonstruktion.
Doch bei einer genetischen Krankheit muß jede Zelle repariert, jede Anomalie ausgemerzt und ersetzt werden. Die Heilung eines Krebspatienten dauert vielleicht Wochen oder Monate. Doch diese Schußwunden ...« Er deutete auf den reglosen schwarzen Labrador. »Nun, Vader wird morgen schon wieder Eichhörnchen jagen können.«
Dorman starrte verblüfft und ungläubig den Hund an. »Wenn die Zeitungen davon erfahren, David, verlieren wir alle unseren Job.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte David lächelnd. »Darauf verwette ich eine Packung Hundekekse.«
Nach einer Stunde erwachte der Hund wieder. Er war benommen, erholte sich aber rasch. Vader sprang im Käfig auf, schüttelte sich und bellte dann. Gesund. Geheilt. So gut wie neu. Kennessy ließ ihn aus dem Käfig, und der Hund sprang ihn an und bettelte um Aufmerksamkeit und Lob. Kennessy lachte und streichelte ihn.
Lentz sah staunend zu, und er begriff jetzt, daß Kennes-sys Arbeit noch beängstigender, noch erfolgreicher war, als er befürchtet hatte. Seine Leute hatten völlig richtig gehandelt, die Proben zu beschlagnahmen, wegzuschließen und dann alle übrigen Beweise zu vernichten.
Wenn eine derartige Technologie für die breite Masse zugänglich wurde, waren die Konsequenzen unvorstellbar. Nein, alles mußte vernichtet werden.
Lentz nahm das Videoband aus dem Recorder und schloß es zu den anderen streng geheimen Dokumenten. Der Safe in DyMar hatte dieses Band und die anderen Unterlagen vor dem Feuer bewahrt, aber er wußte mit grimmiger Sicherheit, daß sie nicht alle Aufzeichnungen, alle Proben gefunden hatten.
Jetzt, nachdem er alles gesehen hatte, verstand Lentz endlich den verzweifelten Telefonanruf, den sie abgehört hatten, als David Kennessy in der Nacht der explosiven Demonstration, der Nacht des Feuers seine Privatnummer gewählt hatte.
Kennessys Stimme hatte einen verzweifelten, gehetzten Klang gehabt. Er ließ seine Frau nicht einmal zu Wort kommen. »Patrice, nimm Jody und Vader und verschwinde — sofort! Alles, was ich befürchtet habe, ist eingetroffen. Ihr müßt fliehen. Ich sitze in DyMar bereits in der Falle, aber ihr könnt entkommen. Lauft. Laßt euch nicht von ihnen... erwischen.«
Dann wurde die Telefonverbindung unterbrochen, bevor Kennessy oder seine Frau noch etwas sagen konnten. Patrice Kennessy hatte auf ihren Mann gehört, hatte schnell gehandelt. Als die Aufräumteams ihr Vorstadthaus erreichten, war sie bereits mit dem Jungen und dem Hund verschwunden.
Aber nachdem er das Videoband gesehen hatte, wurde ihm plötzlich klar, daß er einen schweren Fehler gemacht
hatte. Zuvor hatte Lentz befürchtet, daß Patrice vielleicht im Besitz einiger Notizen, einiger Forschungsunterlagen war, die er unbedingt an sich bringen mußte. Doch jetzt sah er sich einer wesentlich größeren Gefahr gegenüber.
Wie hatte er es nur übersehen können? Der Hund war nicht nur ein Haustier, das die Kennessys aus Sentimentalität nicht zurücklassen wollten. Dieser schwarze Labrador war ein lebendes Labor. Er war das Versuchstier, er trug die Nanomaschinen in seinem Blutkreislauf, die dort lauerten und nur darauf warteten, sich über die ganze Welt zu verbreiten.
Er schluckte hart und griff nach dem Telefon. Doch nach einem Moment erstarrte er und legte den Hörer langsam wieder auf die Gabel. Dies war nicht die Sorte Fehler, die er seinem Vorgesetzten eingestehen wollte. Er würde sich selbst darum kümmern.
Alles andere war im DyMar-Feuer vernichtet worden - aber jetzt mußte Adam Lentz all seine Leute zusammentrommeln, Verstärkung anfordern und soviel Zeit und Geld wie nötig einsetzen, um eine Frau, einen Jungen und vor allem ihren Hund aufzuspüren.
14 Blockhaus der Kennessys, ländliches Oregon Mittwoch, 13:10 Uhr
Das Licht der Mittagssonne ließ die leeren Stellen in den Bergen Oregons, wo der Kahlschlag der Holzfäller die Bäume wegrasiert hatte, wie Flecken aussehen. Patrice und Jody
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