Akte X
ein und schob sie in seine Aktentasche. Er sah auf seine Uhr. Sein Flugzeug startete in Kürze. Er hatte nur ungekennzeichnetes Handgepäck dabei und war im Besitz von Dokumenten, die ihm die normale Abfertigung am Flughafen ersparten. Lentz konnte jederzeit einen der freien Plätze in Anspruch nehmen, die die Fluglinien auf allen Flügen für hochrangige Militäroder Regierungsvertreter bereithalten mußten. Seine Pässe erlaubten ihm, nach Gutdünken kreuz und quer durch das Land zu fliegen, ohne daß sein Name in den Passagierlisten oder sonstigen Unterlagen auftauchte. Sein Beruf verlangte derartige Vorsichtsmaßnahmen.
»Ein Letztes noch«, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung. »Ich habe das früher schon vorgeschlagen, aber ich werde es noch einmal wiederholen. Sie wären gut beraten, Agent Mulder im Auge zu behalten. Sorgen Sie dafür, daß ein Teil Ihres Teams all seine Schritte rund um die Uhr überwacht und ihm überallhin folgt. Hören Sie all seine Gespräche ab.
Ich habe Ihnen mehr Leute zur Verfügung gestellt, als Sie wahrscheinlich brauchen werden, aber Agent Mulder hat das Talent... für das Unerwartete. Wenn Sie in seiner Nähe bleiben, wird er Sie vielleicht direkt zu den Gesuchten führen.« . .
»Danke, Sir«, sagte Lentz und sah wieder auf seine Uhr. »Ich muß zum National Airport. Ich werde Sie weiter auf dem laufenden halten, aber jetzt muß ich mein Flugzeug erreichen.« »Und Ihre Mission durchführen«, sagte der Mann absolut emotionslos.
33 Blockhaus der Kennessys, Küstenregion, Oregon Freitag, 15:15 Uhr
Der rote Lieferwagen, den Mulder beschlagnahmt hatte, erwies sich als überraschend fahrtüchtig. Dank seiner großen Räder und seines hochliegenden Chassis brauste er wie eine Dampfwalze über die Schlaglöcher, Pfützen und morschen Äste auf der alten Holzfällerstraße und die halb überwucherte, holperige Zufahrt zum abgelegenen Blockhaus hinauf.
Seit er die Leiche des Truckers und das Bild des angeblich toten Jeremy Dorman auf dem Videoband der Überwachungskamera gesehen hatte, hatte er das dringende Gefühl, Scully finden und warnen zu müssen. Aber das Blockhaus war still, leer, verlassen.
Als er aus dem Lieferwagen stieg und umherging, bemerkte er die frischen Reifenspuren, die sich in den weichen Matsch und den Schotter gegraben hatten. Jemand war vor kurzem mit einem Auto hergekommen und wieder weggefahren. War Scully wirklich schon wieder fort? Wohin konnte sie gefahren sein?
Dann fand er die Frauenleiche im Gras, und er wußte, daß es Patrice Kennessy war. Mulder runzelte die Stirn und wich zurück. Patrices Haut war von derselben Krankheit gezeichnet, die auch den Fahrer des Holztransporters getötet hatte. Er schluckte hart.
»Scully!« Er beschleunigte seine Schritte. Die scharlachroten Blutflecken waren nicht zu übersehen, hellrote Tupfer, die in unregelmäßigen Abständen den Boden bedeckten.
Mulder trat der Schweiß auf die Stirn. Er begann zu laufen, blickte nach vorn, dann wieder zu Boden und folgte der Blutspur in den Wald.
Dann entdeckte er die Fußspuren. Scullys Schuhe. Pfotenabdrücke eines Hundes. Sein Herz schlug schneller.
Die Blutspur führte Mulder zum Fuß eines Steilhangs, wo ein Erdrutsch die Hügelflanke abrasiert hatte. Neben einem entwurzelten Baum fand Mulder einen blutüberströmten Mann mit breiten Schultern, zerlumpter Kleidung und bis zum Brustbein aufgerissener Kehle.
Er erkannte den kräftigen Mann von den Fotos aus den DyMar-Personalakten und dem Überwachungsvideo der Truckwiegestation wieder. Jeremy Dorman - zweifellos tot.
Mulder bemerkte außer dem Blutgeruch noch etwas anderes in der Luft: Schwarzpulver. Die Hand des toten Mannes hielt einen Revolver umklammert. Der Geruch verriet Mulder, daß er vor kurzem abgefeuert worden war - aber der Mann sah nicht so aus, als würde er ihn in nächster Zeit noch einmal benutzen können.
Mulder beugte sich über den Toten und musterte die klaffende Halswunde. Hatte der schwarze Labrador ihn angegriffen?
Aber noch während er die Verletzung studierte, schienen Dormans zerrissener Kehlkopf und das Muskelgewebe und die Haut wie Kerzenwachs zu schmelzen, sich zu glätten. Die Wunde schloß sich nach und nach von selbst. Ein durchsichtiges Sekret, eine Art Schleim überzog die zerfetzte Haut.
Mulder sah sich um und entdeckte am Fuß des Hangs, wo Gestein und Erdreich heruntergerutscht waren, die Spuren eines Kampfes. Jemand schien den Hang hinuntergestürzt und
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