Akte X
von diesem Schleim abwaschen.«
»Das habe ich Ihnen noch gar nicht erzählt – der Opferbrunnen ist jetzt nur noch ein großes, leeres Loch im Boden... dank der letzten Erdstöße.«
»Erdstöße? Was für Erdstöße?«
»Sie haben lange geschlafen.«
Sie erreichten das metallene Schott, auf das Mulder gestoßen war, als er die Wand der Cenote herabgeklettert war. Als sie in der Luke stand, starrte Cassandra hinaus auf die tropfenden Korkenzieherwände aus knorrigem Kalkstein. Der leere Schacht war immer noch feucht und stank nach schwefligen Vulkangasen. »Ich habe schon viele Klagen darüber gehört, daß vorzüglich erhaltene archäologische Stätten zerstört wurden, kaum daß Schaulustige den Fundort erreichten... Doch das hier übertrifft meine schlimmsten Alpträume.«
Hoch über ihnen erhellten Lichtblitze vom anhaltenden Mörserfeuer und der Widerschein der schwelenden Waldbrände den Himmel.
»Vorsicht!« Mulder griff nach ihrer Hand, als sie hinaus auf den mit Algen überzogenen Kalksteinabsatz traten. »Die erste Hälfte des Aufstiegs müssen wir mit bloßen Händen bewältigen, aber von dort aus können wir die Seile benutzen, die wir in die Cenote gehängt haben.«
»Seile? Wozu haben Sie denn Seile gebraucht?« Cassandra sah Mulder erstaunt an.
Mulder wich ihrem Blick aus. »Nun, meine Partnerin, Agent Scully, ist mit Ihrem Taucheranzug unter Wasser gegangen, um die Cenote zu durchsuchen. So hat sie die Leichen Ihrer Mitarbeiter gefunden... und ich habe die Seile benutzt, um Ihren Vater zu bergen. Als wir ihn fanden, schwamm er hier im Opferbrunnen.«
Cassandras Lippen wurden weiß, als sie sie fest zusammenpreßte und einen Moment die Augen schloß. Dann nickte sie. »Ich bin froh, daß Sie ihn herausgeholt haben, bevor das ganze Wasser in den Boden abfloß... obwohl ich mir keine passendere Bestattung für einen hartgesottenen Schatzgräber wie ihn vorstellen könnte.«
Mulder griff hinauf zur ersten Felskante und begann vorsichtig zu klettern. Er fand den Aufstieg weniger beängstigend als den Abstieg. Auf diese Weise konnte er wenigstens hinaufblicken, seinem Ziel entgegen, statt sich unsicher und rutschend abwärts in unbekannte Tiefen vorzuarbeiten.
Cassandra, drahtig wie eine Wildkatze, fand winzige Felsvorsprünge, die selbst Mulder nicht zu benutzen wagte. Sie stiegen schräg hinauf und suchten sich ihren Weg um den ganzen Umfang der Cenote, bis sie die richtige Höhe erreicht hatten, um die ausgefransten Enden der herabhängenden Seile zu ergreifen.
Weit unten in der Tiefe hörten sie immer noch die vulkanischen Dämpfe gurgeln und zischen. Mulder wußte, daß der Ausbruch noch nicht seinen Höhepunkt erreicht hatte, sondern nur eine Pause machte, um neuen Atem zu schöpfen.
Plötzlich rutschte sein rechter Fuß – Mulder sackte ab und tastete wild nach einem Halt. Cassandras Hand schoß auf ihn zu, rasch wie eine jagende Klapperschlange, und umklammerte Mulders Handgelenk. Mit der anderen Hand hielt er sich am Seil fest. »Danke«, preßte er hervor.
»Jederzeit«, ächzte sie. »Sehen Sie nur zu, daß Sie dasselbe für mich tun.«
Sobald er wieder Halt unter den Füßen hatte, kletterten sie die letzten Meter zum Rand der Cenote hinauf, jener flachen Kalksteinkante, von der aus die Opfer in den tiefen Brunnen hinabgestoßen worden waren.
Stillschweigend verständigten sich Mulder und Cassandra darauf, dicht am Boden zu bleiben, bevor sie langsam die Köpfe hoben und über die Kante hinweg zur Pyramide des Kukulkan hinüberspähten.
Eine Seite war bereits zur Hälfte zerstört. Mörsergranaten hatten tiefe Krater in die kunstvoll gefertigten Treppen geschlagen. Vereinzelte Kämpfer liefen auf der Plaza herum, undeutliche Schatten, die sich gebückt in Deckung brachten.
Die beiden Stelen mit den gefiederten Schlangen waren umgestürzt, und nur noch eines der Zelte stand aufrecht. Wieder sah Mulder Gestalten in Tarnuniform umherhasten... nur eine war anders gekleidet. Scully?
Doch noch bevor er sich über die Kante ziehen konnte, ertönte aus dem Dschungel ein Aufschrei in der kehligen Sprache der Maya. Lautes Stakkato von Maschinengewehrfeuer folgte, als die neu gruppierten Guerillas aus ihrer Deckung hervorbrachen. Die Revolutionäre schossen auf die restlichen Mitglieder der Kommandoeinheit, die mit Granatenfeuer antworteten.
Das Gefecht schwoll zu einem ohrenbetäubenden Getöse an. Zwei weitere Leuchtkugeln stiegen in die Nacht empor und überstrahlten das Licht des Mondes.
Mulder
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