Akte X
psychiatrische Behandlung und wandert seither von einer Anstalt zur anderen.« Wieder diese merkwürdige halb entschuldigende, halb beiläufige Geste. »Aber darum geht es hier nicht.«
Mulder zwang sich dazu, einmal tief durchzuatmen. »Worum es hier geht, ist, daß das FBI möglichst wenig Staub aufwirbeln will, nicht wahr? Daß wir uns selbst um unsere Leute kümmern können?«
Sein Widerwille war überdeutlich. Das war die typische Denkweise des FBI: Was auch immer passierte, man regelte die eigenen Angelegenheiten selbst. Nur keine Außenstehenden hinzuziehen. Aber was dachten sie sich nur dabei? Hier ging es nicht um irgendwelche unbedeutenden internen Probleme. Hier stand das Leben Unschuldiger auf dem Spiel. Was, wenn er etwas Falsches gesagt hätte, weil er es nicht besser gewußt hatte?
Kazdin hob unvermittelt und trotzig das Kinn, als wäre ihr plötzlich wieder eingefallen, daß sie sich von Mulder keinerlei Vorwürfe gefallen lassen mußte.
»Man erwartet von uns, die Sache so sauber und reibungslos wie möglich zu erledigen.« Na Klar, dachte Mulder. Wir waschen unsere schmutzige Wäsche selbst, egal wer die Brühe hinterher auslöffeln muß.
»Schön«, antwortete er. »Dann haben Sie den Anfang aber ziemlich verpatzt.«
Mit einem Mal bemerkte Kazdin, daß ihre Auseinandersetzung von einem Kreis neugieriger Augen verfolgt wurde. Sie wich etwas zurück. Ihr Lächeln verschwand.
»Eine Verhandlung ist ein ständiger Prozeß, Agent Mulder«, warf Rieh ein, als ahnte er, was Kazdin als nächstes sagen würde.
Ich schätze, das soll mir zeigen, was meine Rolle in diesem Spiel ist, dachte Mulder. Aber wenn sie mich tatsächlich für einen derart Ignoranten Anfänger halten, stellt sich hier eine ganz andere Frage. Er drehte sich zu Rieh um.
»Wenn Sie nur jemanden brauchen, der Ihr Drehbuch vorliest, dann hätten Sie mich nicht hierherschleppen müssen.«
»Diese Methode hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen, um das Vertrauen von Geiselnehmern zu gewinnen«, erklärte Rieh.
Welche Methode? Lügen zu erzählen? Jedenfalls trägt sie kaum dazu bei, mein Vertrauen zu gewinnen, dachte Mulder. Irgendwie mußte er diesen Leuten die Augen öffnen.
»Nein. Hören Sie, dieser Mann hat Angst. Sie können sein Vertrauen nur gewinnen, wenn Sie zu verstehen versuchen, wovor er Angst hat.« Er wandte sich wieder Kazdin zu und schob sich näher an sie heran, als könne er so die Mauer aus Skepsis und Selbstgefälligkeit durchdringen, die man ihm hier entgegenbrachte.
»Haben Sie jemals mit einem Abduktionsopfer gesprochen, Agent Kazdin?«
Sie hob befremdet die Augenbrauen. Die Antwort war genauso deutlich, als wären ihr die Wörter »wohl kaum« auf die Stirn tätowiert worden.
»Haben Sie schon mal ein Opfer erzählen hören, wie man ihm das Gehirn durch die Nase herausgesaugt hat - und das bei vollem Bewußtsein? Würden Sie gern erfahren, was die mit den Eierstöcken einer Frau anstellen?«
Kazdins Gesichtsausdruck wirkte angeekelt. »Nicht unbedingt«, entgegnete sie.
Mulder nickte. »Dann begreifen Sie, bitte, daß Sie Ihre Vorgehensweise hier etwas variieren sollten.«
Sie starrten einander eine Weile an. Mulder senkte den Blick als erster. Wozu machte er sich überhaupt die Mühe? Er drehte sich auf dem Absatz um und ging davon. Kazdin warf Agent Rieh einen kurzen Blick zu und seufzte schwer.
»Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
Agent Krycek hatte das Geschehen mit großer Wachsamkeit verfolgt. Jetzt trat er mit einem Gesichtsausdruck an Lucy Kazdin heran, der verständnisvolles Mitgefühl widerspiegelte. Kazdin sah ein wenig überrascht auf, als fragte sie sich, was, zum Teufel, dieser Mann hier zu suchen hatte. »Ja«, sagte sie ausdruckslos. »Wie war noch mal Ihr Name?«
»Krycek«, erwiderte er betont verbindlich.
Sie nickte. »Okay, Krycek. Haben Sie etwas zu schreiben?«
Beflissen griff der Agent in seine Jackentasche und zog einen Spiralblock und einen Kugelschreiber hervor.
Kazdins Miene zeigte keinerlei Regung. »Einen doppelten Cappuccino mit Vanillezucker.« Sie sah flüchtig zu Rieh hinüber. »Agent Rieh?«
Damit drehte sie sich um und ging. Krycek blieb mit dem Block und dem gezückten Kugelschreiber in der Hand hinter ihr zurück. Sein angedeutetes Lächeln verschwand schlagartig.
2 Dana Scullys Büro
Der Fernseher hinter Scullys Computer war die hellste Lichtquelle in dem ansonsten abgedunkelten Raum. Im Zwielicht glänzte ihr Haar
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