Akte X
nur zu diesem Ort gehen.«
»Zu welchem Ort, Duane?«
»Dahin, wo alles angefangen hat. Wo sie mich zum ersten Mal mitgenommen haben.« »Wo ist das?«
Duanes Stimme zitterte vor Anstrengung, als er seine furchtbaren Erinnerungen durchforstete. »Da ist ein Berg. Wir klettern hoch und immer höher. Steigen... zu den Sternen auf.« Plötzlich stieß er ein Keuchen aus, und die innere Qual verzerrte sein Gesicht. »Ich gehe nicht mehr mit! Sie werden Duane Barry nicht mehr holen. Sie können den Doc nehmen, aber nicht mich!«
Mulder schielte zu Hakkie hinüber. Die Augen des Arztes wirkten jetzt etwas klarer, aber bestimmt nicht fröhlicher. In Mulders linkem Ohr erklang ein knisterndes Geräusch, gefolgt von einer vertrauten Stimme.
»Mulder, ich bin's«, sagte Scully.
Es gelang ihm, keine Miene zu verziehen, was bestimmt zu den beachtlichsten Leistungen gehörte, die er je vollbracht hatte.
»Hören Sie mir zu«, fuhr Scullys Stimme fort. »Sie können Duane Barry nicht vertrauen. Er ist ein Psychopath, der durch einen Kopfschuß einen Hirnschaden erlitten hat. Er ist nicht das, was Sie in ihm vermuten.«
Plötzlich hob Duane den Kopf, und seine Augen weiteten sich langsam. Fast so, als hätte er etwas gehört.
»Was?« fragte er.
Mulder spürte, wie ein Adrenalinschub durch seinen Körper raste und in seinen Schädel schoß. »Ich sagte... wie können die Sie jedes Mal finden?«
Duanes Blick glitt forschend über Mulders Gesicht, suchte in dessen Zügen nach der Wahrheit. Er nickte.
»Implantate. In meinem Zahnfleisch. Hier...« Er zeigte auf die verschiedenen Stellen. »In meinen Nebenhöhlen. Und genau hier, in meinem Bauch.«
Er zog sein Hemd hoch. Mulder sah die sichelförmige Narbe um Duanes Bauchnabel. Es konnte sich um die Narbe einer Leistenbruchoperation handeln, aber auch um... etwas völlig anderes.
In seinem Ohr ertönte wieder Scullys Stimme. »Er könnte jederzeit durchdrehen, Mulder. Seine Akte weist auf wiederholte Ausbrüche irrationalen und gewalttätigen Verhaltens hin. Sie müssen auf eine Lösung dieser Situation hinarbeiten. Sie haben sein Vertrauen gewonnen. Jetzt müssen Sie versuchen, mit ihm zu verhandeln.«
Richtig, dachte Mulder. Ich genieße das Vertrauen eines Psychopathen mit einem Hirnschaden. Deshalb genügt der kleinste Fehler, und...
Er unterdrückte den Gedanken entschlossen. Solche Überlegungen brachten ihn nicht weiter. »Duane?«
Der Mann schaute auf.
»Lassen Sie die Frauen gehen. Das FBI wird Ihnen entgegenkommen, wenn Sie sie gehen lassen.«
Duane drehte sich um und starrte Gwen und Kimberly wie betäubt an. Die beiden Frauen starrten nervös zurück.
»Gut«, erklang Scullys Stimme. »Beschäftigen Sie ihn weiter. Die Leute vom Eingreifkommando gehen in Position. Sie werden taktische Maßnahmen ergreifen, wenn Sie ihn nicht dazu überreden können, die Geiseln freizulassen.«
Mulder verzog in Gedanken das Gesicht. Taktische Maßnahmen. Die offizielle Bezeichnung für einen plötzlichen und drastischen Zugriff, der den Einsatz von Explosivstoffen und Waffen einschloß... »Die Frauen haben keinen Wert für Sie. Lassen Sie sie gehen, Duane. Das wäre der richtige Schritt.« Duane starrte die beiden verängstigten Frauen weiterhin reglos an. Plötzlich erschlafften seine Schultern. »In Ordnung.«
Mulder hatte das Gefühl, als streiche ihm ein kalter Luftzug über den Rücken.
»In Ordnung«, wiederholte Duane. »Aber der Doktor begleitet mich.«
Mulder nickte. Duane seufzte und stand auf.
»Also, los«, sagte er. »Hauen Sie ab.«
Gwen und Kimberly erhoben sich unsicher. Sie hielten sich aneinander fest, als müßten sie gegen einen Sturm ankämpfen. Auf dem Weg zur Tür kamen sie an Mulder und Duane vorbei. Die beiden Frauen bewegten sich wie verängstigte Tiere, die jeden Moment in Panik geraten und davonrennen konnten. Ungläubigkeit schimmerte in ihren Augen. Und das erste Aufflackern von Hoffnung.
Gwen brachte es nicht fertig, einen der beiden Männer anzusehen, aber Kimberly blickte Duane direkt in die Augen, als sie auf gleicher Höhe mit ihm war. Sie verharrte einen Moment lang. »Ich wollte Ihnen nur sagen... ich glaube Ihnen«, flüsterte sie.
Gwen ergriff ihren Arm und zog sie mit sich zur Tür. Sie fummelte mit fliegenden Fingern an dem Schlüssel herum, der immer noch im Schloß steckte, drehte ihn um und öffnete die Tür. Duane sah zu, wie die Frauen das Büro verließen, und trat dann in die Mitte des
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