Akte X
gefährliche Fehleinschätzung gegeben. Dieser Mann, der behauptet, von Außerirdischen kontrolliert zu werden... sein psychiatrisches Gutachten weist auf eine seltene Form der Psychose hin.«
Agent Kazdin führte Scully zu ihrem Schreibtisch. Scully holte einen Aktenordner hervor, öffnete ihn und legte ihn auf den Haufen der anderen Papiere. Kazdin forderte sie mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen, nahm selbst an der gegenüberhegenden Seite des Tisches Platz und ergriff das oberste Formular, auf das Scully deutete. Die Anspannung in Scullys Stimme hatte ein wenig nachgelassen und war kühler Präzision und Dringlichkeit gewichen.
»Wie Sie den medizinischen Unterlagen entnehmen können, ist Duane Barry in Ausübung seines Dienstes angeschossen worden. Die Kugel hat die Frontallappen seines Gehirns durchschlagen.« Kazdin betrachtete den Bericht mit zusammengekniffenen Augen und nickte dann langsam. »Richtig...«
»Durch diese Verletzung ist es ihm seit 1982 nahezu unmöglich, sich in ein normales Leben in der Gesellschaft einzufügen«, fuhr Scully fort. »Die Kugel hat das Zentrum für moralisches Empfinden in seinem Gehirn zerstört. Vor hundert Jahren gab es einen ganz ähnlichen berühmten Fall: Bei einem Mann namens Gage wurde die gleiche Hirnregion von einem Metallstab durchbohrt.«
»Und welche Auswirkungen hatte das?«
»Er entwickelte sich zu einem pathologischen Lügner, der unter schweren Wahnvorstellungen litt. Sein Verhalten wurde als bizarr und gewalttätig beschrieben, und er neigte dazu, seine Phantasien auszuleben.«
Großartig, dachte Kazdin. Genau das hat uns gerade noch gefehlt. Sie warf erneut einen Blick auf den Bericht. Dort stand es schwarz auf weiß. Duane Barrys vordere Hirnlappen waren übel zugerichtet worden. Sie musterte Scully mit plötzlich erwachter Neugier.
»Wie sind Sie überhaupt in diesen Fall hineingeraten?«
»Agent Mulder hat mich angerufen. Wir haben früher zusammengearbeitet.«
Kazdin bemerkte die Besorgnis in Scullys Augen und spürte einen Anflug von Mitgefühl in sich aufsteigen. Die partnerschaftlichen Bande im Polizeidienst konnten tief und stark sein. Sie hätte sich vermutlich ebenso verhalten und das gleiche empfunden, wäre es ihr Partner, der jetzt gefesselt im Büro nebenan saß. Sie seufzte.
»Also, ich glaube, Duane Barry hat Agent Mulder gründlich getäuscht.«
Scully beugte sich vor. »Gibt es irgendeine Möglichkeit, wie ich ihm diese Informationen zukommen lassen kann?«
Kazdin hob den Kopf und lächelte.
6 Travel Time-Reisebüro
Duane hatte seinen Stuhl dicht zu Mulder herangezogen und sprach jetzt in einem sanften und vertraulichen Tonfall mit ihm. Er hatte die Augen geschlossen und vermittelte den Eindruck eines Mannes, der unter starken Schmerzen litt, während er gewaltsam Erinnerungen aus den Tiefen seines Geistes hervorzog, als würden diese dort von Widerhaken festgehalten.
»Die Leute von der Regierung wissen Bescheid, müssen Sie wissen. Manchmal sind sie sogar dabei. Im gleichen Raum wie die Fremden. Sie arbeiten zusammen, weil es eine geheime Übereinkunft zwischen ihnen gibt.«
In den düsteren zerfallenen Gewölben seines Geistes blitzten Erinnerungen wieder auf: die gleißenden Lichter, die... die kleinen Gestalten, die entwürdigende Lähmung. Und er sah sie, die beiden Männer in schwarzen Anzügen, die ihn emotionslos beobachteten, als sei er ein interessantes Insekt, als sei er ein Ding.
Er wartete, bis die entsetzliche Vision verblaßte. Von irgendwo aus der Ferne hörte er Mulders Stimme: »Wer in der Regierung?«
Duane öffnete die Augen. »Männer. Militärs. Die stecken alle unter einer Decke. Die Regierung weiß, warum die hier sind, aber sie kann es nicht wagen, die Wahrheit zu enthüllen. Deshalb... kooperiert sie mit ihnen.«
Mulder starrte den Ex-Agenten an, hörte die unverkennbare Ernsthaftigkeit in der gequälten Stimme. »Was die Regierung verheimlicht... was sie den Menschen verschweigt...« Duane verstummte. Offenbar wußte er nicht, wie er seine Gedanken formulieren sollte.
»Sie werden sich darauf vorbereiten müssen, diese Situation irgendwie zu lösen, Duane. Früher oder später.«
»Ich bin müde«, murmelte der Mann.
»Sie haben keine andere Möglichkeit, hier herauszukommen. Sie müssen dem FBI sagen, was Sie vorhaben.«
Mulder hatte das Gefühl, daß Duane kurz vor dem Zusammenbruch stand. Angst und Müdigkeit beherrschten seine bebende Stimme.
»Ich möchte
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